FRANKFURT (dpa-AFX) - Nach seiner Rekordrally könnte für den Dax in der neuen Woche die Luft dünner werden. Nach dem Kursanstieg der vergangenen Tage käme eine Korrektur nicht überraschend und wäre gesund für die weitere Entwicklung, erläuterte Analyst Jochen Stanzl von CMC Markets. Vor allem im Automobilsektor waren die Kurse stark gestiegen. Hier sehen einige Marktteilnehmer inzwischen eine Übertreibung.

Der deutsche Leitindex nahm jüngst - beflügelt von einer weiterhin sehr lockeren Geldpolitik der Notenbanken - Kurs in Richtung der runden Marke von 15 000 Punkten. Erneut deutlich steigende Corona-Infektionszahlen, ein langsames Impftempo, ein vorübergehender Stopp des Astrazeneca-Vakzins und die Sorgen vor einem nochmaligen Lockdown konnten dem Index nichts anhaben. Denn Anleger konzentrieren sich bereits auf eine bessere Zeit nach der Pandemie.

"Der Konjunkturaufschwung ist nicht aufgehoben, nur aufgeschoben", schrieb Robert Halver, Leiter der Kapitalmarktanalyse der Baader Bank. Ähnlich argumentiert der Chefstratege der Privatbank Merck Finck, Robert Greil: "So frustrierend die deutschen Entwicklungen in Sachen Covid-19 sein mögen, so positiv bleiben die Aussichten für die wirtschaftliche Erholung." Expansive Geldpolitik und Konjunkturoptimismus seien die Basis für die Fortsetzung der Aktienrally.

Einen Strich durch die Rechnung der optimistischen Anleger könnten jedoch weiter steigende Renditen am Anleihemarkt machen, auch wenn diese den Dax bisher nicht negativ beeinflusst haben. Laut dem Chefvolkswirt der DekaBank, Ulrich Kater, bleibt der allmähliche Anstieg der Anleiherenditen das wichtigste Thema an den Finanzmärkten. Er sieht diese Entwicklung aber generell nicht als Bremsklotz, auch weil das Zinsniveau noch immer so niedrig sei, dass auf Aktien bei der Vermögensanlage weiterhin nicht verzichtet werden könne. Dies drückten die Rekorde im Dax auch aus.

Trotz dem Bekenntnis der US-Notenbank Fed, die Geldschleusen offen zuhalten und an der Zinsschraube vorerst nicht zu drehen, hatten die Renditen vor allem von langlaufenden US-Staatspapieren jüngst weiter angezogen - und die Technologiewerte belastet. Die wachstumsträchtigen Technologiekonzerne leiden darunter, weil es ihre Finanzierungen verteuert.

Dem Dax könnten steigende Renditen auch weiterhin kaum schaden, denn Techwerte sind in dem Leitindex nur spärlich vertreten. Papiere zyklischer Branchen wie Automobil, Chemie und Industrie finden sich im Dax dafür umso mehr. Diese wurden in den vergangenen Monaten gemieden, zuletzt aber verstärkt gekauft, weil sie von einem Wirtschaftsaufschwung besonders profitieren. In einem Umfeld steigender Anleiherenditen aus Furcht vor anziehender Inflation würden Value-Titel - also günstiger bewertete Aktien mit Aufholpotenzial - bevorzugt, sagt Analyst Stanzl. Anleger trennten gerade Value- und Tech-Aktien wie die Spreu vom Weizen.

"In der virtuellen Welt der Pandemie gab es nur Technologieaktien. Jetzt scheint es bei Anlegern nur noch Value-Aktien zu geben, und von diesem Selektionsprozess profitiert der Dax", so Stanzl weiter. Allerdings könnte ein noch stärkerer Ausverkauf gerade bei amerikanischen Techwerten auch am Gesamtmarkt nicht spurlos vorbeigehen, warnt er.

Unter den Konjunkturdaten mit potenziellem Einfluss auf den Aktienmarkt finden sich in der neuen Woche die Einkaufsmanagerindizes aus der Eurozone und den USA für das Verarbeitende Gewerbe und den Dienstleistungssektor, jeweils für den Monat März. Ihre Veröffentlichung steht am Mittwoch ebenso auf der Agenda wie das Verbrauchervertrauen für den Euroraum. Am Freitag richtet sich die Aufmerksamkeit auf das Ifo-Geschäftsklima in Deutschland. Laut dem Dekabank-Experten Kater könnte es leicht ansteigen, schließlich habe es Anfang März erste zaghafte Lockerungen der Corona-Restriktionen und Hoffnung auf weitere gegeben. Kater vermutet aber zugleich, dass diese Aufhellung nicht von Dauer sein dürfte, da mittlerweile ein dritter Lockdown drohe.

Am deutschen Aktienmarkt treten zudem am Montag die von der Deutschen Börse beschlossenen Index-Änderungen in Kraft. Neu im Dax wird dann die Siemens-Abspaltung Siemens Energy sein, dafür muss der Konsumgüterhersteller Beiersdorf in die zweite Börsenliga MDax absteigen. Begrüßt werden in dem Index der mittelgroßen Werte außerdem die Porsche-Holding sowie mit Encavis und Nordex zwei Vertreter aus dem Bereich der Alternativen Energien. Zahlreiche Änderungen gibt es ferner im Nebenwerteindex SDax. Wichtig sind die Index-Änderungen vor allem für Fonds, die Indizes exakt nachbilden (ETFs). Dort muss dann entsprechend umgeschichtet und umgewichtet werden, was Einfluss auf die Aktienkurse haben kann.

Mit Jahreszahlen aus dem Dax stehen am Mittwoch der Energiekonzern Eon und am Donnerstag Deutsche Wohnen im Blick. Neben weiteren Unternehmen aus MDax und SDax, die detailliert über das abgelaufene Jahr berichten, könnten zur Wochenmitte schließlich auch die Jahreszahlen des Börsenneulings und Online-Gebrauchtwagenhändlers Auto1 interessieren./ajx/ag/jha/he

--- Von Achim Jüngling, dpa-AFX ---