Unternehmen gaben am Dienstag Stellenstreichungen bekannt, obwohl Chinas Präsident Xi Jinping erklärt hatte, Massenentlassungen sollten vermieden werden. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sieht in dem Virus indes eine "ernsthafte Bedrohung" für die Welt. Ein erster Impfstoff könnte in 18 Monaten verfügbar sein, "also müssen wir heute alles mit den uns verfügbaren Waffen machen", sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus. Ein führender chinesischer Wissenschaftler erklärte, die Epidemie könnte bis April überwunden werden. In der Volksrepublik sind nach Angaben der Behörden inzwischen mehr als 1000 Menschen an dem Virus gestorben.

Xi versicherte, China komme im Kampf gegen das Coronavirus voran. Sein Land werde den Kampf gegen das Virus gewinnen. Danach werde die Volksrepublik besser dastehen als zuvor, wurde er im staatlichen Fernsehen zitiert. Der chinesische Mediziner Zhong Nanshan, der für seine Rolle bei der Bekämpfung der Sars-Epidemie 2003 international bekanntwurde, erwartet, dass die Spitze der Epidemie bis Mitte oder Ende Februar erreicht werden dürfte und bis April überschritten sein könnte. In einigen Provinzen verbessere sich die Lage bereits.

In Genf begann unterdessen ein Expertengipfel mit rund 400 Wissenschaftlern zum Coronavirus unter Leitung der WHO. Deren Chef erklärte, der Ausbruch stelle einen Notfall für China dar und sei auch eine "ernsthafte Bedrohung für den Rest der Welt". Die Zahl der festgestellten Infektionen in China stieg nach WHO-Angaben auf 42.708. Insidern zufolge warnte Xi bereits in der vergangenen Woche vor den wirtschaftlichen Folgen der Bekämpfung des Virus. Einige der Maßnahmen gegen die Ausbreitung der gefährlichen Lungenkrankheit seien zu weit gegangen, hätten Angst in der Bevölkerung ausgelöst und schadeten der Konjunktur, sagte Xi laut Teilnehmerkreisen bei einem Treffen des ständigen Ausschusses des Politbüros Anfang vergangener Woche. Er drang demnach darauf, von "restriktiveren Maßnahmen" abzusehen.

"VERHEERENDE AUSWIRKUNGEN"

In China wurden mehrere Millionenmetropolen praktisch von der Außenwelt abgeschottet. Fabriken und Schulen wurden geschlossen, Fluggesellschaften strichen Flüge in das Land. Unternehmen hatten Mühe, zum Normalbetrieb zurückzukehren, nachdem die Behörden sie aufgefordert hatten, bis zu zehn zusätzliche freie Tage auf die Neujahrsfeiertage aufzuschlagen, die Ende Januar endeten. Hunderte chinesischer Firmen erklärten, sie benötigen Kredite, um sich über Wasser zu halten.

Dem Nationalen Institut für Finanzen und Entwicklung zufolge könnte das Virus das chinesische Wirtschaftswachstum in diesem Jahr um bis zu einen Prozentpunkt dämpfen. Nach Einschätzung der Analysten der US-Bank JP Morgan hat der Ausbruch die Dynamik der chinesischen Wirtschaft "grundlegend verändert". Die Experten senkten ihre Prognosen für Chinas Wachstum in diesem Quartal.

Die Behörden erklärten, zusätzlich zu den bereits angekündigten Zinssenkungen und fiskalischen Anreizen weitere Maßnahmen zur Stabilisierung der Arbeitsplätze zu planen. Der chinesische Medienkonzern Xinchai Media etwa will rund 500 Stellen streichen - etwas mehr als ein Zehntel seiner Belegschaft - um das eigene "Überleben zu sichern". Die Restaurantkette Xibei sorgt sich um die Gehälter ihrer etwa 20.000 Mitarbeiter. Wenn sich das Virus weiter ausbreite, werde man "nicht viel länger durchhalten können". Die Analysten der japanischen Investmentbank Nomura gehen davon aus, dass das Virus "verheerende Auswirkungen" auf die chinesische Wirtschaft im Januar und Februar hat. "Wir machen uns Sorgen, dass die weltweiten Märkte das Ausmaß der Auswirkungen bislang deutlich unterschätzen."

An den Börsen überwog am Dienstag allerdings die Hoffnung auf ein Ende der Krise. Der Dax kletterte auf ein neues Rekordhoch und auch die US-Börsen markierten neue Bestmarken, obwohl US-Notenbankpräsident Jerome Powell vor wirtschaftlichen Gefahren warnte: das Virus könne zu "Verwerfungen in China" führen, die wiederum auf die übrige Weltwirtschaft übergreifen könnten.