Von Manuel Priego Thimmel

DOW JONES--Nun ist sie also da, die ersehnte Weihnachtsrally an den Märkten. Vielen haben nicht mehr an sie geglaubt. Allen Zweiflern zum Trotz hat der DAX mit Schwung die Marke von 20.000 Punkten genommen. Die drohenden Zölle unter einem US-Präsidenten Donald Trump belasten derzeit nicht, genauso wenig wie der Krieg in der Ukraine, der Konflikt im Nahen Osten oder das politische Chaos in Paris. Anleger setzen offenbar darauf, dass letztendlich die Lage nicht so dramatisch ist, wie es die Schlagzeilen nahe legen. Die "Climbing the Wall of Worry", also Kursgewinne an den Börsen in Zeiten erhöhter Unsicherheit, war schon häufig das beste Umfeld.

Der nächste positive Marktimpuls könnte von der EZB am Donnerstag ausgehen. Erwartet wird, dass die Zentralbank die Leitzinsen um 25 Basispunkte senken wird. Denn trotz der etwas höheren Inflationsrate im November sind die Preise in den vergangenen Monaten eher schwächer gestiegen als von der EZB erwartet, und die EZB-Ratsmitglieder rechnen mit einem Erreichen des Inflationsziels in der ersten Jahreshälfte 2025. "Hinzu kommen Sorgen über das Wirtschaftswachstum, die durch drohende US-Zölle verstärkt werden. Einen größeren Zinsschritt erwarten wir allerdings ebenso wenig wie eine 'weiter vorausblickende Kommunikation', wie sie der französische Notenbankpräsident Villeroy gefordert hat", sagt die Commerzbank.

Bei den US-Zöllen wird nicht so heißt gegessen wie gekocht - so zumindest die Hoffnung

Nach der EZB könnte dann von der US-Notenbank der nächste stützende Marktimpuls ausgehen. Derzeit wird mit einer Wahrscheinlichkeit von 66 Prozent eingepreist, dass die Fed am 18. Dezember die Leitzinsen senken wird. Viel dürfte von den am Freitagnachmittag zur Veröffentlichung anstehenden US-Arbeitsmarktdaten sowie den US-Verbraucherpreisen in der kommenden Woche abhängen. Die Kernrate war in den vergangenen Monaten mit plus 0,3 Prozent zu hoch, was allerdings besonders auf volatile Preiskomponenten zurückzuführen war. Hier rechnet die Commerzbank aber mit einer Beruhigung, wodurch die Kernrate auf 0,2 Prozent fallen könnte und der US-Notenbank die Tür für eine Zinssenkung geöffnet würde.

Große Unsicherheiten für die Börsen gehen von der künftigen US-Administration aus, insbesondere der Ankündigung von pauschalen Zöllen auf Einfuhren. Hier setzen Anleger aber darauf, dass letztendlich auch dieses Thema nicht so heiß gegessen wie gekocht wird, so wie dies während der ersten Amtszeit von Donald Trump der Fall war. Mit den ersten Trump-Drohungen Richtung Kanada und Mexiko ist denn auch der Eindruck entstanden, dass ein "US-Präsident Trump zwar als Verhandlungstaktik mit drohenden US-Importzöllen laut bellt, schließlich aber bei weitem nicht so stark zubeißen wird wie befürchtet", merkt die Commerzbank an.

Trump könnte zum Friedenserzwinger im Ukrainekrieg werden

Ein klar positiver Marktimpuls könnte unter einem US-Präsidenten Trump mit Blick auf den Ukrainekrieg ausgehen. Trump hat angekündigt, diesen innerhalb kürzester Zeit beenden zu wollen. Ob er dazu in der Lage ist, bleibt dahin gestellt. Allerdings hat sich seit dem Trump-Sieg die Tonlage radikal geändert. Plötzlich sind in Kiew vorübergehende Gebietsabtretungen an Russland denkbar geworden. Militärstrategen schließen nicht aus, dass der Konflikt ähnlich wie dies im Koreakrieg der Fall war, eingefroren wird. Zwischen Nord- und Südkorea ist bis heute kein Friedensvertrag unterzeichnet worden.

Derweil scheint vom Politikchaos in Paris kein wirklicher Schrecken für die Märkte auszugehen. Konziliante Töne von Marine Le Pen helfen. Danach könnte das französische Parlament innerhalb von Wochen einen Haushalt verabschieden, sollte der nächste Premier bereit sein, das Defizit langsamer als bislang geplant zu senken. Auch wissen Anleger, dass die EZB eine ausgewachsene Schuldenkrise in der Eurozone nicht zulassen wird. So könnten mit dem Transmissionsschutz-Instrument (TPI) Anleihen von Euro-Staaten in unbegrenztem Umfang gekauft werden, um hohe Renditeaufschläge zu verhindern, so die VP Bank. Tatsächlich hat sich die Zinsdifferenz zwischen französischen und deutschen Benchmarkanleihen zuletzt eingeengt - ein klares Entspannungssignal.

DAX-Dividendrendite ist attraktiv

Die Commerzbank verweist zudem auf technische Faktoren, die den DAX-Anstieg über 20.000 erklären: So profitiere der DAX von dem jüngsten Rückgang der Rendite für zehnjährige deutsche Bundesanleihen von 2,40 auf 2,10 Prozent, die erwartete DAX-Dividendenrendite von 3,10 Prozent läge damit wieder 100 Basispunkte über der Anleiherendite. Selbst die mit 4,20 Prozent im Vergleich zu deutschen Anleihen hohe Rendite für zehnjährige US-Staatsanleihen helfe dem DAX indirekt, da dieser große Renditeunterschied den Euro Richtung 1,05 Dollar gedrückt habe. Viele exportstarke DAX-Unternehmen profitieren von dem schwachen Euro.

Aber auch monetäre Indikatoren wie das Wachstum der Geldmenge M1 im Euroraum haben sich stetig verbessert. Mit einem Plus von 0,2 Prozent sei sie erstmals seit zwei Jahren wieder größer als im entsprechenden Vorjahresmonat, während sie vor einem Jahr noch um 10 Prozent geschrumpft sei, betont die Commerzbank. In dieses positive monetäre Bild passt auch, dass sich der von den Analysten berechnete Early-Bird-Index für die deutsche Wirtschaft zuletzt rasant erholt hat. "Diese Vielzahl positiver Faktoren spricht unserer Meinung nach dafür, dass sich der DAX im Verlauf des Börsenjahres 2025 nachhaltig über der Marke von 20.000 Indexpunkten festsetzen wird."

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December 06, 2024 05:24 ET (10:24 GMT)