Frankfurt (Reuters) - Die EZB bereitet angesichts der zweiten Pandemie-Welle und neuen harten Einschränkungen des Wirtschaftslebens in vielen Ländern den Boden für ein neues Stützungspaket im Dezember.

Die Währungshüter um Notenbank-Chefin Christine Lagarde beschlossen auf der Zinssitzung am Donnerstag zwar keine neuen Schritte. Doch Lagarde wies auf die sich mittlerweile erheblich eingetrübte Konjunkturentwicklung hin. "Hereinkommende Informationen signalisieren, dass die wirtschaftliche Erholung im Euro-Raum schneller an Schwung verliert als erwartet." Die im Dezember erwarteten neuen EZB-Wirtschaftsprognosen ermöglichten eine gründliche Neubeurteilung der Situation. "Auf Basis dieser aktualisierten Einschätzung wird der EZB-Rat seine Instrumente der Lage entsprechend neu kalibrieren", kündigte Lagarde an. "Wir werden uns alle Instrumente anschauen."

Die Hinweise auf neue Stützungsschritte ließen den Dax zeitweise leicht ins Plus drehen. Am Nachmittag zog der deutsche Leitindex 0,1 Prozent an auf 11.577 Punkte. Der Euro gab etwas nach auf 1,1695 Dollar. Am Anleihemarkt sanken die Renditen zehnjähriger italienischer Staatsanleihen um vier Basispunkte auf 0,72 Prozent.

Die EZB sei bei der ersten Pandemiewelle da gewesen und werde auch bei der zweiten Welle da sein, sagte Lagarde. "Die Teams, Ausschüsse und Mitarbeiter sind bereits an der Arbeit." Die EZB schaue sich alle geldpolitischen Instrumente an und wie diese zusammenwirkten. Es gehe um die Mischung, die am besten auf die wirtschaftliche Lage eingehe. Das in der Krise geschaffene Anleihen-Kaufprogramm PEPP sei dabei ein Ansatzpunkt, aber nicht der einzige. Der gesamte EZB-Rat stehe hinter dieser Strategie: "Wir waren uns alle einig, dass es nötig war zu handeln und daher unsere Instrumente auf unserer nächsten Ratssitzung zu rekalibrieren." Es sei aber noch keine Veränderung besprochen worden.

"Die Tür zum Handeln im Dezember steht weit offen. Lasst uns hoffen, dass sich die Lage nicht weiter verschlechtert, so dass die EZB früher durch diese Tür eilen müsste als geplant", erklärte ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski. Sein Kollege Uwe Burkert, Chefvolkswirt der LBBW, erklärte: "Es hatte sich unseres Erachtens über die vergangenen Wochen bereits angedeutet, dass die EZB vor dem Jahresende geldpolitisch nochmals nachlegen dürfte." Die jüngste Verschärfung der Corona-Lage hat aus seiner Sicht die Ratsmitglieder nun noch stärker zu der Einschätzung gebracht, dass weitere Schritte zur Konjunkturstützung notwendig würden.

Ihren Leitzins beließ die Notenbank auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent. Dort liegt er bereits seit März 2016. Im Zuge des massiven Konjunktureinbruchs in Folge der Corona-Krise hatte die Notenbank bereits umfangreiche Stützungsmaßnahmen auf den Weg gebracht. Unter anderem stockte sie im Juni ihr großes Pandemie-Anleihenkaufprogramm PEPP um 600 Milliarden Euro auf 1,35 Billionen Euro auf und verlängerte die Käufe bis mindestens Ende Juni 2021. Die meisten Volkswirte erwarten inzwischen, dass die Notenbank bis zum Jahresende das Kaufvolumen noch einmal erhöht und die Käufe bis Ende 2021 verlängert. Manche Experten rechnen mit einer Aufstockung um 500 Milliarden Euro.

NEUE WIRTSCHAFTLICHE EINSCHRÄNKUNGEN TREIBEN EZB UM

Viele Regierungen im Euro-Raum, darunter mit Deutschland und Frankreich die beiden größten Volkswirtschaften, haben aufgrund stark steigender Infektionszahlen erneut scharfe Einschränkungen des öffentlichen Lebens beschlossen. Daher geht die Sorge um, dass die eingesetzte konjunkturelle Erholung nach dem Absturz im zweiten Quartal nun wieder ausgebremst wird. Die Stimmung in der Wirtschaft hat sich im Oktober nach einer monatelangen Phase der Besserung nicht mehr weiter aufgehellt. Auch die mit geplanten oder bereits geltenden Lockdown-Maßnahmen konfrontierten Verbraucher sind weniger zuversichtlich.

Die Strafzinsen für Banken veränderte die Notenbank nicht. Der Einlagensatz liegt damit wie bisher bei minus 0,5 Prozent. Ein negativer Satz bedeutet, dass Geldhäuser Zinsen zahlen müssen, wenn sie bei der Notenbank überschüssige Gelder horten. Die EZB hat allerdings im Herbst 2019 Erleichterungen für die Geldhäuser beschlossen. So gewährt sie inzwischen in einem bestimmten Umfang Freibeträge von den Strafzinsen.