Daimler zwischen Hoffnung und Kostendruck: Der Stuttgarter Autobauer ist dank Kurzarbeit und Sparmaßnahmen bisher besser durch die Corona-Krise gekommen, als ihm Analysten zugetraut haben.

Nach vorläufigen Zahlen stand im zweiten Quartal ein Verlust vor Steuern und Zinsen (Ebit) von 1,68 Milliarden Euro zu Buche, der damit nur etwas höher ausfiel als ein Jahr zuvor (minus 1,56 Milliarden). Von Daimler befragte Experten hatten im Schnitt mit gut zwei Milliarden Euro Verlust gerechnet. Das machte die Daimler-Aktie am Freitag mit einem Plus von vier Prozent auf 39,10 Euro zum größten Kursgewinner im Dax. Trotz wieder steigender Verkaufszahlen im Juni will Vorstandschef Ola Källenius die Personalkosten noch stärker drücken und die Produktion neu ordnen.

Das "Handelsblatt" berichtete am Freitag unter Berufung auf Unternehmenskreise von Plänen zum Abbau von mehr als 20.000 Arbeitsplätzen. Bisher war von 15.000 die Rede gewesen. Statt 1,4 Milliarden sollten nun mehr als zwei Milliarden Euro bei den Personalkosten gespart werden. Källenius kündigte im Interview mit der Zeitung härtere Einschnitte an, ohne konkret zu werden: Das Einsparziel werde höher ausfallen, und die Kostenmaßnahmen dauerten über 2022 hinaus. "Covid-19 hat zu einem Nachfrageschock geführt, der uns noch länger beschäftigen wird. Darauf müssen wir reagieren."

In einer Stellungnahme zu den vorläufigen Quartalszahlen machte der Schwede klar, dass Daimler sich darauf einstellen müsse, auch mit weniger Umsatz Geld zu verdienen: "Es bleibt viel zu tun. Wir müssen unsere systematischen Bemühungen fortsetzen, die Gewinnschwelle des Unternehmens durch Kostenreduktion und Kapazitätsanpassungen weiter zu senken." NordLB-Analyst Frank Schwope geht davon aus, dass Daimler im laufenden Jahr nur 1,8 bis 2,0 Millionen Autos verkaufen kann; 2019 waren es 2,4 Millionen. "Die Rückgänge der Gewinngrößen werden prozentual deutlich höher ausfallen."

Zu den ersten Schritten gehört offenbar der Umbau des Produktionsnetzes. In den USA und Mexiko will Daimler künftig nur noch die renditeträchtigen Geländewagen (SUV) bauen und keine Limousinen mehr. So soll die C-Klasse in Tuscaloosa im US-Bundesstaat Alabama nicht mehr vom Band laufen, und auch im gemeinsam mit Nissan betriebenen Werk in Aguascalientes soll nur noch der Geländewagen GLB gebaut werden und nicht mehr die A-Klasse. Laut "Handelsblatt" steht auch das Montagewerk in Iracemapolis in Brasilien mit 600 Stellen auf der Kippe. Der geplante Ausbau im ungarischen Kecskemet sei vom Tisch. Daimler wollte sich dazu nicht äußern.

Dass das Smart-Werk im lothringischen Hambach verkauft werden soll, hatte Daimler bereits angekündigt. Interesse zeigt der Ineos-Konzern des Milliardärs Jim Ratcliffe, der dort einen Geländewagen bauen will. Daimlers Kleinwagen Smart wird stattdessen künftig in China gebaut. Källenius will den Autobauer wieder stärker auf die Oberklasse ausrichten, die mehr Rendite abwirft: "Die Zukunft von Daimler liegt eher am oberen Ende der Fahrzeugsegmente", sagte der Schwede der Zeitung. "Wir wollen nicht mit Volumenherstellern konkurrieren."

Analysten gefällt das: "Positiv werten wir, dass Daimler die Hausaufgaben nun offenbar aggressiver angeht", schrieb Sven Diermeier von Independent Research. Weitere Sonderbelastungen - etwa für den Stellenabbau - seien wahrscheinlich. Von April bis Juni summierten sich die Kosten des Konzernumbaus und andere Sondereffekte auf fast eine Milliarde Euro. Allein für Hambach, Tuscaloosa und Aguascalientes buchte Daimler einen Aufwand von 687 Millionen Euro. Weitere 105 Millionen schreibt der Autobauer auf seine Beteiligung an "Your Now" ab, das Mobilitäts-Joint Venture mit BMW. Vor allem das Carsharing von "Share Now" (vorher Car2Go) hat in der Corona-Krise an Attraktivität verloren.

Durch Kurzarbeit, die Senkung von Reise- und Marketingkosten und den Abbau von Lagerbeständen versuchte Daimler angesichts geschlossener Autohäuser in der Krise das Geld zusammenzuhalten - mit Erfolg: Am Ende stand ein Mittelzufluss (Free Cash-flow) im Industriegeschäft von 685 Millionen Euro zu Buche - ein Jahr zuvor waren noch 1,3 Milliarden aus dem Unternehmen abgeflossen.