FRANKFURT (awp international) - Am deutschen Aktienmarkt hat sich am Donnerstag Nervosität breit gemacht. Anleger nahmen nach dem jüngsten Rekordhoch im Dax am vergangenen Freitag verstärkt Gewinne mit. Sie treibt die Sorge vor einer womöglich noch in diesem Jahr anstehenden geldpolitischen Straffung durch die US-Notenbank (Fed) um. Auch wächst die Verunsicherung angesichts der in Asien grassierenden Delta-Variante des Coronavirus, die zu fortgesetzten Lieferengpässen führt. Die Volkswirte der US-Bank Goldman Sachs blicken nun vorsichtiger auf das Wachstum der weltgrössten Volkswirtschaft.

Der Dax büsste bis zum Nachmittag 1,80 Prozent auf 15 679,37 Punkte ein. Er fiel damit auf das Niveau von Anfang August zurück, bevor die Rally startete, die den Leitindex am Freitag erstmals über 16 000 Punkte getrieben hatte. Der MDax , der am Vortag noch auf ein Rekordhoch geklettert war, gab nun um 1,61 Prozent auf 35 429,42 Punkte nach. Der Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 verlor 2,04 Prozent.

"Die US-Notenbank ist einem geldpolitischen Kurswechsel näher als bislang erwartet", resümierte Marktanalyst Jochen Stanzl von CMC Markets die wichtigsten Signale aus dem am Mittwochabend veröffentlichten Protokoll der jüngsten Fed-Sitzung. "Noch sind die Geldschleusen zwar weit geöffnet, aber sollte sich der US-Arbeitsmarkt weiter erholen, dürften die konjunkturstützenden Anleihekäufe zeitnah reduziert werden." Börsianer befürchten, dass eine Reduzierung der Käufe die Aktienmärkte unter Druck setzen könnte, weil den Märkten damit Liquidität entzogen werde und zudem andere Anlageklassen wie etwa Anleihen an Attraktivität gewinnen könnten.

Das Team der Volkswirte um Jan Hatzius von Goldman Sachs schrieb zudem in einer Studie, dass der Einfluss der Delta-Variante auf das Wachstum in den USA sowie auch die Inflation grösser seien als sie zunächst gedacht hätten. Entsprechend senkten sie nun ihre Schätzungen für das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts der Vereinigten Staaten im dritten Quartal deutlich, da sowohl die Konsumentenausgaben als auch die Produktion von diesen Entwicklungen negativ beeinflusst würden.

Unter den Einzelwerten am deutschen Aktienmarkt büssten Infineon 3,6 Prozent ein. Sie litten wie bereits andere Chiphersteller in Asien unter Aussagen zu Lieferengpässen angesichts der dortigen Ausbreitung der Delta-Variante. So hob am Vorabend der US-Netzwerkspezialisten Cisco zur Vorlage seiner Quartalszahlen mit Blick auf das restliche Jahr Lieferengpässe hervor und auch der Entwickler von Graphikprozessoren Nvidia verwies auf eine weiter angespannte Lage für Bauteile.

Den nunmehr vierten Tag in Folge zeigten sich zudem die Aktien der Autohersteller und -zulieferer schwach. Wie die japanische Wirtschaftszeitung "Nikkei" berichtet, will Toyota seine weltweite September-Produktion verglichen mit den ursprünglichen Plänen deutlich zurückfahren. Auch hier wurden als Gründe die fortgesetzte Knappheit bei Halbleitern und die Delta-Variante genannt, die laut dem weltgrössten Autokonzern die Beschaffung von Autoteilen behinderten. Die Aktien von BMW , Volkswagen und Daimler und Continental büssten zwischen 2,2 und 3,2 Prozent ein.

Stahlunternehmen wie Salzgitter , Thyssenkrupp oder der Stahlhändler Klöckner & Co wurden von weiter fallenden Preisen für Eisenerz belastet und büssten allesamt etwas mehr als 3,5 Prozent ein. Die chinesische Regierung hatte zuvor versichert, die Stahlproduktion verringern zu wollen.

Selbst die Lanxess -Aktie, die sich zunächst gegen den negativen Börsentrend stemmen konnte, gab nach. Zuletzt sank das Papier des Chemieunternehmens im MDax um 0,8 Prozent. Anleger beachteten zuletzt wohl stärker die Studie der Goldman-Volkswirte, die wegen der Ausbreitung der Delta-Variante ihre Wachstumsprognose für die weltgrösste Volkswirtschaft senkten. Die Kaufempfehlung der Goldman-Sachs-Aktienanalystin Georgina Iwamoto, die bisher zum Verkauf der Aktie geraten hatte, wurde angesichts dessen skeptischer gesehen. Sie hatte als einen Grund ihrer Hochstufung erwarteten nachlassenden Druck durch eine Entspannung bei den Rohstoffkosten sowie den Zulieferer-Engpässen angegeben.

Der Euro fiel und kostete am Nachmittag 1,1696 US-Dollar. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte den Referenzkurs zuletzt am Mittwochnachmittag auf 1,1723 Dollar festgesetzt. Am Rentenmarkt fiel die Umlaufrendite von minus 0,53 Prozent am Vortag auf minus 0,54 Prozent. Der Rentenindex Rex stieg um 0,02 Prozent auf 146,37 Punkte. Der Bund-Future legte um 0,03 Prozent auf 177,03 Zähler zu./ck/jha/

--- Von Claudia Müller, dpa-AFX ---