FRANKFURT (awp international) - Der Kurssturz der Wirecard-Aktien hat am Donnerstag am deutschen Aktienmarkt alles in den Schatten gestellt. Die Papiere des im Dax notierten Zahlungsabwicklers hatten zwischenzeitlich mehr als 71 Prozent ihres Börsenwerts verloren. Wegen milliardenschwerer Unklarheiten in der Bilanz musste der Konzern die Vorlage seines Jahresabschlusses für 2019 ein weiteres Mal verschieben. Es droht der Rauswurf aus dem Leitindex.

Für den Dax ging es nach einigen Schwankungen letztlich um 0,81 Prozent auf 12 281,53 Punkte nach unten, nachdem er an den beiden Tagen davor insgesamt um fast 4 Prozent zugelegt hatte. Der MDax der mittelgrossen deutschen Börsenwerte bewegte sich am Donnerstag mit einem Minus von 0,02 Prozent auf 26 201,35 Punkte kaum vom Fleck.

Beim Dax müsse nun beobachtet werden, ob der Index wieder in die Konsolidierungsphase einschwenke oder aber von einer neuen Euphoriewelle ergriffen werde, sagte Marktexperte Andreas Lipkow von der Comdirect Bank. Hierbei spielten Wirtschaftsdaten aus den USA eine wichtige Rolle. Dem Arbeitsmarkt in den Vereinigten Staaten setzt die Corona-Pandemie weiter zu. In der Woche bis 13. Juni hatten 1,5 Millionen Menschen einen Erstantrag auf Arbeitslosenhilfe gestellt. Analysten hatten mit weniger gerechnet.

Derweil sitze der Wirecard-Schock tief, fuhr Lipkow fort. "Der Geduldsfaden ist nun anscheinend bei vielen Investoren gerissen und so trennen sich auch die letzten Optimisten von den Wirecard-Anteilen." Die Aktien büssten am Dax-Ende fast 62 Prozent auf 39,90 Euro ein. Es war auf Schlusskursbasis gerechnet der zweitgrösste prozentuale Tagesverlust, den je ein Dax-Wert erlitten hat.

Sollte Wirecard einen testierten Abschluss bis zum morgigen Freitag, 19. Juni, nicht präsentieren, könnten Kredite in Höhe von etwa zwei Milliarden Euro gekündigt werden, warnte das Unternehmen. Aktienindex-Experten zufolge könnte nun Wirecard im September aus dem Dax fliegen. Als mögliche Nachfolger wurden der Aromenhersteller Symrise und der Essenslieferant Delivery Hero genannt, deren Aktien um 1,5 beziehungsweise 1,1 Prozent zulegten.

Abseits von Wirecard gab es auch Erfreuliches für die Anleger. So rechnet der Internet-Modehändler Zalando mitten in der Corona-Krise mit deutlichen Zuwächsen bei Umsatz und operativem Gewinn. Zalando habe sehr starke Wachstumsindikationen für das zweite Quartal gegeben und könnte möglicherweise seine Jahresziele anheben, schrieb Analyst Volker Bosse von der Baader Bank. Die Papiere von Zalando gewannen an der MDax-Spitze gut sieben Prozent und nahmen damit ihr Rekordhoch ins Visier.

Der Eurozone-Leitindex EuroStoxx 50 endete 0,53 Prozent niedriger bei 3249,90 Punkten. Der FTSE 100 in London und der Cac 40 in Paris gaben ebenfalls nach. Der Dow Jones Industrial in New York stand zum europäischen Handelsschluss 0,4 Prozent im Minus.

Der Kurs des Euro fiel: Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,1222 (Mittwoch: 1,1232) US-Dollar fest. Der Dollar kostete damit 0,8911 (0,8903) Euro.

Am Rentenmarkt fiel die Umlaufrendite von minus 0,39 Prozent am Vortag auf minus 0,41 Prozent. Der Rentenindex Rex stieg um 0,09 Prozent auf 144,70 Punkte. Der Bund-Future legte um 0,18 Prozent auf 175,56 Punkte zu./la/he

--- Von Lutz Alexander, dpa-AFX ---