FRANKFURT (awp international) - Der Kursrutsch aus Sorge vor einer Coronavirus-Pandemie hat am Freitag mit einem Dax -Verlust von zeitweise mehr als 5 Prozent einen vorläufigen Höhepunkt erlebt. Mit einem Rutsch um gut 13,5 Prozent seit dem vergangenen Freitag erleben die Anleger die schwärzeste Woche seit Beginn der Weltfinanzkrise 2008. Am Nachmittag notierte der deutsche Leitindex nun noch mit gut 3 Prozent im Minus bei 11 975,20 Punkten. Das Rekordhoch aus der Vorwoche bei 13 795 Punkten scheint in der aktuellen Panik am Markt aber so schnell nicht wieder erreichbar.

Der MDax fiel um 2,65 Prozent auf 25 500,00 Punkte. Der EuroStoxx 50 als Leitbarometer der Eurozone verlor derweil rund 3 Prozent.

Das neuartige Coronavirus breitet sich nicht nur in Deutschland immer stärker aus. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnte am Donnerstag, der neue Erreger habe "pandemisches Potenzial" und könnte ohne die richtigen Massnahmen "ausser Kontrolle geraten". Auch wenn medizinische Fachleute wie der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, daran erinnern, dass bei der weit überwiegenden Anzahl der Infizierten nur erkältungsähnliche Symptome auftreten - die Folgen für die Wirtschaft sind schon jetzt unabsehbar.

"Die exportorientierte deutsche Wirtschaft wird durch die Unterbrechung von internationalen Lieferketten besonders schlimm getroffen", sagte etwa Stefan Schneider, Chefvolkswirt für Deutschland bei der Deutsche Bank . Es sei daher wahrscheinlich, dass die deutsche Wirtschaft in den ersten beiden Quartalen des Jahres schrumpft. Die Folgen des Coronavirus könnten in Deutschland also zu einer Rezession führen. Chefstratege Michael Hartnett von der Bank of America sieht sogar für die ganze Weltwirtschaft zunehmende Risiken für einen Konjunkturabschwung. Die Experten der Investmentbank JPMorgan rechnen aktuell erst Mitte März mit einem Höhepunkt der Erkrankungswelle - allerdings mit aller Vorsicht.

Zu den schwächsten Dax-Werten gehörten die Papiere der Munich Re , die zeitweise um mehr als 9 Prozent absackten, und nun wieder unter ihrem 200-Tage-Durchschnitt notieren. Der Rückversicherer hat seinen Gewinn 2019 trotz deutlich gestiegener Grossschäden zwar kräftig gesteigert und sein ursprüngliches Gewinnziel von 2,5 Milliarden Euro übertroffen. Die noch optimistischeren Erwartungen von Analysten wurden jedoch verfehlt.

Auch die BASF -Aktie musste weiter kräftig Federn lassen und rutschte auf das tiefste Niveau seit 2012 ab. Der Chef des weltgrössten Chemiekonzerns, Martin Brudermüller, zeichnete bei der Vorlage der Jahreszahlen ein recht düsteres Bild wegen des Virus. Er erwartet vor allem nicht, "dass die Corona-Effekte im Jahresverlauf vollständig ausgeglichen werden können." Die Deutsche Post stellt derweil den Bau ihres Elektrotransporters Streetscooter ein und streicht ihre Gewinnpläne für 2020 zusammen. Die Aktie lag daraufhin auch im unteren Dax-Drittel.

Auch der anfängliche Lichtblick Thyssenkrupp schien nicht lange. Der in Finanznöten steckende Stahl- und Industriekonzern will seine Aufzugsparte komplett an ein Konsortium rund um die Finanzinvestoren Advent und Cinven verkaufen. Mit im Boot ist auch der Ruhrkonzern RAG, der an dem Chemiekonzern Evonik beteiligt ist. Zuletzt konnten sich die Papiere dem Verkaufsdruck nicht entziehen und rutschten auf das tiefste Niveau seit 2003.

Gefragt sind alleine vermeintliche Profiteure der Viruserkrankung wie Drägerwerk und Teamviewer . Der Medizin- und Sicherheitstechnikkonzern Drägerwerk stellt Atemschutzmasken her, die derzeit sehr stark nachgefragt werden. Die Papiere schossen um fast 20 Prozent auf das höchste Niveau seit September 2018. Teamviewer ist ein Software-Hersteller für Computer-Fernwartung und Videokonferenzen, die immer mehr Unternehmen nutzen, um Mitarbeiter von zuhause aus arbeiten zu lassen.

Am Rentenmarkt fiel die Umlaufrendite von minus 0,50 auf minus 0,59 Prozent. Der Rentenindex Rex stieg um 0,36 Prozent auf 146,02 Punkte. Der Bund-Future gewann 0,41 Prozent auf 177,28 Punkte.

Der Euro gab anfängliche Gewinne inzwischen komplett ab und notierte wieder bei 1,0990 US-Dollar. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte den Referenzkurs am Donnerstagnachmittag auf 1,0964 Dollar festgesetzt. /ag/eas