FRANKFURT (awp international) - Am deutschen Aktienmarkt ist die Hoffnung der Anleger mit Blick auf den Brexit und den Handelsstreit grösser als die Sorge über ein Scheitern. Der Dax schüttelte seine Schwäche vom Freitag ab und stieg bis zum Nachmittag um 1,02 Prozent auf 12 762,21 Punkte. Der MDax für mittelgrosse Werte rückte um 0,69 Prozent auf 26 180,42 Punkte vor. Der Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 gewann 0,60 Prozent.

"Die Marktteilnehmer werden immer risikofreudiger. Der deutsche Leitindex kann sich so weiter über dem Niveau von 12 700 Punkten etablieren", kommentierte Marktexperte Andreas Lipkow von der Comdirect Bank. Laut Portfolio-Manager Thomas Altmann von QC Partners dominiert die Zuversicht, dass der Brexit-Deal des britischen Premierministers Boris Johnson im Parlament womöglich noch an diesem Montag kurzfristig angenommen wird.

Zudem haben die jüngsten Entwicklungen in London laut der Postbank auch ein Gutes: "Die Wahrscheinlichkeit eines ungeordneten EU-Austritts der Vereinigten Königreichs ist definitiv gesunken." Das Unterhaus hatte am Samstag einem Antrag zugestimmt, Johnsons Brexit-Deal erst dann grünes Licht zu geben, wenn alle zur Durchführung des EU-Austritts notwendigen Gesetze verabschiedet sind. Damit war Johnson gezwungen, gegen seinen Willen in Brüssel einen Verlängerungsantrag für den EU-Austritt zu stellen.

Ausserdem verwiesen Marktbeobachter auf die positive Entwicklung im Handelsstreit. Zurzeit arbeiten die beiden weltgrössten Volkswirtschaften USA und China an einem vorläufigen Abkommen. Chinas Chefunterhändler Liu He hatte in diesem Kontext am Wochenende von "substanziellen Fortschritten" gesprochen.

Im Dax erholten sich die Anteilsscheine des Zahlungsabwicklers Wirecard an der Index-Spitze um knapp 7 Prozent. Das durch zahlreiche Presseberichte stark in die Kritik geratene Unternehmen will nun doch die Vorwürfe rund um seine Bilanzierungspraktiken mit einer Sonderprüfung ausräumen. Damit sollen vor allem die immer wieder neuen Vorwürfe der "Financial Times" umfassend und unabhängig aufgeklärt werden.

Die Einigung zum Berliner Mietendeckel sorgte für Kursverluste im zuletzt wieder stark gelaufenen Immobiliensektor. Die Papiere der Deutsche Wohnen sackten im MDax um 2,6 Prozent ab und die von Vonovia im Dax um 1,4 Prozent. Der rot-rot-grüne Koalitionsausschuss einigte sich darauf, die zuletzt stark gestiegenen Mieten in Berlin für fünf Jahre einzufrieren.

Die SAP-Aktien legten zuletzt um etwas mehr als 2 Prozent zu. Die finale Quartalsbilanz bestätigte die guten vorläufigen Zahlen. Zwar steht nun nach dem überraschenden Rücktritt von Bill McDermott vor gut einer Woche das neue Führungsduo Jennifer Morgan und Christian Klein im Blick. Doch die beiden wollen erst am 12. November, zum Kapitalmarkttag des Softwarekonzerns, genauer darüber informieren, wie sie diesen künftig führen werden. Dann soll es auch Aussagen zum Thema Aktienrückkäufe geben.

Um 3 Prozent ging es für die Papiere der Aareal Bank nach oben, während die des Pharma- und Laborzulieferers Sartorius an der MDax-Spitze knapp 7 Prozent gewannen. Sartorius wurde nach deutlichen Zuwächsen im dritten Quartal optimistischer für das Gesamtjahr.

Der Immobilienfinanzierer Aareal Bank gibt derweil Kreisen zufolge dem Druck eines aktivistischen Investors nach und erwägt den Verkauf seiner IT-Dienstleistungstochter Aareon. Dies hatte am Freitag die Nachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf mit der Angelegenheit vertraute Personen berichtet. Ein Händler zeigte sich indes skeptisch, ob sich die Aareal Bank wirklich von Aareon trennen werde.

Aufmerksamkeit zogen auch die Aktien von ProSiebenSat.1 auf sich. Sie gewannen als zweitstärkster Mdax-Wert 5 Prozent. Die tschechische Investmentfirma Czech Media Invest (CMI) von Daniel Kretinsky ist beim Medienkonzern eingestiegen.

Am Rentenmarkt stieg die Umlaufrendite von minus 0,38 Prozent am Freitag auf minus 0,36 Prozent. Der Rentenindex Rex legte um 0,15 Prozent auf 144,68 Punkte zu. Der Bund-Future sank um 0,18 Prozent auf 170,96 Punkte.

Der Eurokurs profitierte von der Zuversicht auf eine baldige Verabschiedung der Brexit-Vereinbarung und legte auf 1,1166 US-Dollar zu. Die Europäische Zentralbank hatte den Referenzkurs zuletzt am Freitagnachmittag auf 1,1144 Dollar festgesetzt./ck/mis

--- Von Claudia Müller, dpa-AFX ---