Zürich (awp) - Die Aktien der Online-Apotheke Zur Rose sind am Donnerstagmorgen einmal mehr massiv unter Druck geraten. Die Einführung des E-Rezepts in Deutschland hat erneut einen Rückschlag erhalten. In Westfalen-Lippe, der einzigen Testregion in Deutschland für Arztpraxen, wurde die Einführung der elektronischen Verschreibung ausgesetzt.

Bis um 9.45 Uhr notieren Zur Rose 13,1 Prozent im Minus auf 24,36 Franken, während der Gesamtmarkt (SPI) 0,9 Prozent tiefer liegt. Vorübergehend erreichten die Titel bei 23,92 Franken gar ein neues Allzeit-Tief. Seit Anfang Jahr haben die Titel rund 90 Prozent an Wert verloren - noch im September 2021 wurden Kurse von über 410 Franken erreicht.

Die Hoffnung auf eine flächendeckende Einführung des elektronischen Rezepts in Deutschland ab 2022 hatte den Kurs in schwindelerregende Höhen getrieben. Nachdem die Einführung aber immer wieder ins Stocken kam, befinden sich die Aktien auf Talfahrt. Gerade mal rund 525'000 Rezepte wurden im laufenden Jahr digital verschrieben. Zum Vergleich: Pro Jahr werden in Deutschland rund 500 Millionen Verschreibungen als rosa Zettelchen ausgestellt - der Anteil der Digitalverschreibung ist also verschwindend gering.

Dabei wollte Zur Rose bis vor einigen Monaten dank E-Rezept den eigenen Umsatz innert drei bis fünf Jahren auf 4 Milliarden Franken verdoppeln. Nach den vielen Rückschlägen ist Zur Rose im laufenden Jahr nun aber vor allem darum bemüht, statt weiter zu wachsen die Verluste in Grenzen zu halten.

Und nun der nächste Rückschlag: Die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe setzt die Einführung der elektronischen Verschreibung aus. Hierzu sehe man sich wegen der Haltung des Bundesdatenschutzbeauftragten gezwungen, teilte die Ärztevereinigung mit. Der Datenschutzbeauftragte Ulrich Kelber (SPD) hatte im September sein Veto gegen den Plan zur Nutzung von Versichertenkarten eingelegt.

Die US-Bank Jefferies wertet die heutige Nachricht denn auch klar negativ. Allerdings seien beim aktuellen Stand der Aktie ohnehin keinerlei Aussichten auf künftige Umsätze durch das E-Rezept eingepreist, gibt der zuständige Jefferies-Experte zu bedenken. Zudem erhöhe dieser Schritt der KVWL den Druck auf den deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach, eine gemeinsame Lösung mit den Ärzten zu finden und möglicherweise die Datenschutzbeauftragten zu überstimmen.

Auch die für die Einführung des E-Rezepts zuständige Gesellschaft Gematik gibt sich kämpferisch. Man bedauere die Entscheidung der KVWL, die Einführung des E-Rezepts vorläufig nicht weiter zu forcieren, so Gematik. Das E-Rezept werde aber deutschlandweit weiterhin genutzt und das Ziel einer flächendeckenden Einführung des E-Rezepts im Jahr 2023 bleibe bestehen.

Die Investoren scheint dies allerdings wenig zu beeindrucken. Ein Trendwende für die massiv gebeutelte Zur-Rose-Aktie scheint nach der heutigen erneuten Hiobsbotschaft in noch weitere Ferne gerückt.

jl/tv