SAN JOSE (dpa-AFX) - Der amerikanische Videokonferenz-Dienst Zoom hat vom wachsenden Bedarf in der Corona-Krise besonders profitiert. Laut eigener Angaben stieg die tägliche Teilnehmerzahl in Zoom-Konferenzen von 10 Millionen vor der Krise auf bis zu 300 Millionen im April. Doch für Zoom lief es nicht nur rund - Sicherheitsprobleme und zuletzt Zensurvorwürfe sorgten für heftige Kritik. Was bei dem Unternehmen los ist, wie sich die Aktie bewegt und was die Analysten sagen:

WAS BEI ZOOM LOS IST:

Die Corona-Pandemie hat den Trend zum Homeoffice beschleunigt und damit auch den Bedarf an Online-Videokonferenz-Diensten ruckartig hochschnellen lassen. Zoom hat von diesem unverhofften Rückenwind profitiert. Das Unternehmen hob zudem einige Beschränkungen für die Gratis-Version des Dienstes auf, was die sprunghaft steigende Verwendung durch Einzelnutzer zusätzlich befeuert haben dürfte.

Trotz gestiegener Kosten für die Infrastruktur wuchs nicht nur der Umsatz zwischen Februar und April im Jahresvergleich um fast 170 Prozent auf 328 Millionen Dollar. Auch unterm Strich blieb dabei auch deutlich mehr übrig, und zwar rund 27 Millionen Dollar nach nur rund 200 000 Dollar ein Jahr zuvor. Für das laufende zweite Quartal geht das Unternehmen von weiteren Steigerungen aus. Für das Gesamtjahr rechnet der Vorstand mit Erlösen von bis zu 1,8 Milliarden Dollar (rund 1,6 Mrd Euro), rund dreimal mehr als im vergangenen Geschäftsjahr 2019/20, das Ende Januar abgeschlossen wurde.

Seitdem sich allerdings die Nutzung abseits von gesicherten Firmennetzen ausbreitet, rückt Zoom zunehmend in den Fokus von Sicherheitsexperten. Diese bemängeln unter anderem die fehlende Ende-zu-Ende-Verschlüsselung der Kommunikation, wie sie von vergleichbaren Diensten wie WhatsApp oder Skype bereitgestellt wird. Hierdurch ist die Kommunikation prinzipiell für Dritte zugänglich.

Zoom reagierte auf die Kritik unter anderem mit dem Kauf des Verschlüsselungs-Startups Keybase, das mit seinem Knowhow zur Verbesserung des Angebots beitragen soll. Davon sollen jedoch laut Gründer und Chef Eric Yuan nur die zahlenden Firmenkunden profitieren. "Gratis-Nutzern wollen wir das ganz bestimmt nicht geben, weil wir etwa mit dem FBI und örtlichen Polizeibehörden zusammenarbeiten wollen, wenn Leute Zoom für schlechte Zwecke missbrauchen", sagte er in einer Videokonferenz mit Analysten Anfang Juni.

Tech-Konzerne, die zum Datenschutz die sogenannte Ende-zu-Ende-Verschlüsselung einsetzen - etwa Apple oder Facebook beim Chatdienst WhatsApp -, werden regelmäßig von Behörden kritisiert, mit dem Vorwurf, dies behindere die Aufklärung von Straftaten.

Aber nicht nur in den USA zeigt sich Zoom versöhnlich den Behörden gegenüber. Auch in China kooperierte das Unternehmen und blockierte Nutzer auf Wunsch der chinesischen Führung. Zoom argumentiert, sich als globales Unternehmen an die Gesetze der jeweiligen Länder halten zu müssen. Eine zusätzliche Software soll es in Zukunft auch ermöglichen, Teilnehmer nach ihrem jeweiligen Standort aus Videotreffen auszuschließen. Sollte China jedoch Forderungen stellen, die Personen außerhalb Chinas betreffen, so soll dem nicht mehr nachgegangen werden.

Internet-Experten verwiesen unter anderem darauf, dass ein großer Teil der Produktentwicklung in China stattfinde und das Unternehmen damit leicht unter Druck gesetzt werden könne. Wie Zoom jedoch bereits Mitte Mai mitteilte, sollen in den kommenden Jahren zwei neue Entwicklungsstandorte in den USA mit bis zu 500 Softwareentwicklern aufgebaut werden.

WAS DIE AKTIE MACHT:

Die erst seit April 2019 an der US-Technologiebörse Nasdaq gelistete Zoom-Aktie stieg alleine in diesem Jahr um rund 350 Prozent. Zum Wochenbeginn erreichte das Papier mit knapp 240 Dollar abermals ein Rekordhoch. Der Börsenwert beläuft sich nach dem kometenhaften Aufstiegs auf rund 67 Milliarden Dollar.

Die Kurs-Rally ist umso beeindruckender, als sie völlig konträr zum globalen Ausverkauf an den Börsen verlief. Am 24. Februar, als der vom Coronavirus ausgelöste Crash begann, waren die Zoom-Aktien noch für gut 100 Dollar zu haben. Als der US-Technologie-Index Nasdaq 100 am 23. März das Crash-Tief erreichte, war der Zoom-Kurs bereits um rund 60 Prozent nach oben geschnellt.

Anleger strichen zwar zwischenzeitlich immer wieder Kursgewinne ein, diese Schwächephasen wurden aber nur für neue Käufe genutzt. So ging es in den Monaten April, Mai und Juni immer weiter nach oben. Für Anleger, die die Papiere zum Börsengang vor gut einem Jahr zu 36 Dollar je Aktie gezeichnet hatten, hat sich der Wert dieses Investments inzwischen mehr als versechsfacht.

WAS DIE ANALYSTEN SAGEN:

Ob der Höhenflug für den Videokonferenz-Dienst auch nach dem Abklingen der Corona-Krise und des damit weit verbreiteten Homeoffice-Betriebs anhalten wird, darüber sind sich die Analysten uneins. Das von durchschnittliche Kursziel der 30 von Bloomberg erfassten Experten liegt mit 205 Dollar etwas unter dem aktuell erreichten Niveau. Derzeit empfehlen zwölf Analysten das Papier zum Kauf, 13 haben ein "Neutral"-Votum und fünf raten zum Verkauf.

Einig sind sich die Experten hingegen in ihren Reaktionen auf die Anfang Juni veröffentlichten Zahlen für das erste Quartal. Diese hätten signifikant über den Markterwartungen gelegen, schrieb Heather Bellini, Analystin der US-Großbank Goldman Sachs. Doch trotz des enormen Wachstums und der Marktführerschaft könne sie den Kauf der Aktie weiterhin nicht empfehlen. Denn die Bewertung kurz nach Veröffentlichung der Zahlen berücksichtige diese positiven Aspekte bereits. Ihr Kursziel hob die Analystin dennoch von 90 auf 154 Dollar, was jedoch weit unter dem aktuellen Kurs liegt.

Auch Brad Zelnick von der Schweizer Großbank Credit Suisse blies in dieses Horn. Er gehe mit dem Ende der Pandemie von einem schwächeren Wachstum aus und sehe die zukünftige Expansion in der Internet-Telefonie. Im Gegensatz zum Videodienst gebe es für "Zoom Phone" jedoch einen stärkeren Wettbewerb und das Geschäft könne nicht so sehr von Netzwerkeffekten profitieren. Auch Zelnick behielt daher seine Verkaufsempfehlung bei und hob sein Kursziel lediglich von 105 auf 160 Dollar an.

Einzig die Experten von JPMorgan hielten eine Zeitenwende für gekommen. Laut JPMorgan-Experte Analyst Sterling Auty hat sich durch die Corona-Krise etwas grundsätzlich verändert. Er glaube zukünftig an eine Nutzung von Videokonferenzen in einem breiteren Anwendungsgebiet. Mit seiner klaren Kaufempfehlung unterstrich Auty seinen Optimismus. Das um 60 Dollar angehobene Kursziel von 220 Dollar wurde hingegen bereits im Verlauf Veröffentlichungstages der Studie erreicht./ssc/bek/knd/fba/zb