Von Hans-Joachim Koch

FRANKFURT (Dow Jones)--Die neuen regulatorischen Vorgaben zu den Vergütungsberichten von börsennotierten Unternehmen haben nach Einschätzung der Unternehmensberatung HKP zu einem "Chaos mit Ansage" geführt. Zwar sei im Grundsatz die Transparenz gestiegen. Doch das Fehlen von Mustertabellen, wie sie bis zum Geschäftsjahr 2020 von vielen Unternehmen auf Basis des Deutschen Corporate Governance Kodex (DGCK) genutzt wurden, sei massiv zu Lasten der Vergleichbarkeit gegangen. Denn Transparenz lebt von Vergleichbarkeit, wie HKP-Partner Michael Kramarsch betonte.


   Kein Gehaltsranking der CEOs 

Aus diesem Grund verzichtet HKP auch auf das sonst übliche detaillierte Vergütungsranking für die CEOs der DAX-Unternehmen. Die Beratung nennt nur noch den Durchschnittswert für 2021, der mit 8,3 Millionen Euro etwas unter den 8,5 Millionen des Vorjahres lag. Er beinhaltet Festgehalt, Kurzfrist- und Langfristboni sowie die Altersvorsorge. Dabei seien aus den verschiedenen Darstellungsformen der Unternehmen jene Daten für eine bestmögliche Vergleichbarkeit herausgezogen worden.

Danach sind 6 Vorstandschefs im vergangenen Jahr über die als Obergrenze gesehene Schwelle von 10 Millionen Euro gekommen: Vier - namentlich nicht genannte - davon relativ knapp mit maximal 11,5 Millionen. Bei zwei Unternehmen - Linde und Zalando - liegen die CEO-Vergütungen jedoch um ein Mehrfaches darüber, jeweils durch die LTI, die langfristigen, performance-bezogenen Elemente.

Bei Zalandos Ex-Co-CEO Robin Ritter waren es nach Dow-Jones-Berechnungen in seinem Abschiedsjahr gut 89 Millionen Euro. Linde weist für Stephan Angel im Geschäftsbericht einen Gesamtwert von 31,4 Millionen Dollar aus.


   Ausreißer als Sonderfälle 

Diese beiden Ausreißer zeigen laut Kramarsch bei Linde als deutsch-amerikanischem Unternehmen mit offiziellem Sitz in Irland die Internationalisierung bei der Vergütung. Bei Zalando, aber auch anderen schnell wachsenden Unternehmen der New Economy wie Delivery Hero oder Teamviewer, mit Werten für die CEOs von zuletzt teilweise deutlich über 50 Millionen Euro, seien andere Geschäfts- wie auch Vergütungsmodelle sichtbar. Vereinbarungen aus der Vergangenheit seien noch ohne Deckel gewesen. Zalando hat inzwischen 15,75 Millionen Euro p.a. als Gehaltsdeckel für den CEO, was aber aufgrund der LTI-Programme erst mit einigen Jahren Verzögerung voll wirken wird.

Den Wildwuchs in den Vergütungsausweisen der 40 DAX-Unternehmen machte HKP-Partnerin Regine Siepmann an fünf Varianten der Darstellung deutlich. Selbst für institutionelle Investoren, und erst recht für kleinere Aktionäre, sei dies kaum ohne großen Aufwand durchschaubar und mit anderen (deutschen) Unternehmen vergleichbar. Hinzu komme die unterschiedliche Interpretation der Vorgaben durch die Wirtschaftsprüfer.


   Langes Warten auf EU-Mustertabellen 

Für eine internationale Gegenüberstellung gelte dies noch mehr. Zwar habe sich die EU-Kommission dieses Themas angenommen, doch "wir warten schon seit Jahren auf die als tragfähige Alternative gepriesenen EU-Mustertabellen", so Siepmann. Die nächste Fassung sei für das vierte Quartal in Aussicht gestellt. Doch "angesichts der Qualität der vorangegangenen Ausarbeitungen bleibt unsere Skepsis groß".

Kramarsch betont, es brauche eine Stelle für eine einheitliche Linie, so wie es in Deutschland mit den DGCK-Tabellen der Fall war. Es seien haarsträubende handwerkliche Fehler gemacht worden. Beispielsweise wäre ein Wechsel von einem alten zu einem neuen Standard einfach gewesen. Aber diese klaren Vorgaben fehlten.


   HV-Diskussion zu "allem" und viele Gegenstimmen 

Bemerkenswert finden die beiden HKP-Partner die Auswertung der Abstimmung über die Vergütungsberichte auf den Hauptversammlungen. Dies führe zur "faktisch jährlichen Diskussion von allem", sprich anderen, sachfremden Kritikpunkten, auch wenn das zugrundeliegende Vergütungssystem zuvor von den Aktionären gebilligt worden sei.

Bemerkenswert seien auch die zum Teil vielen Gegenstimmen zum Vergütungsbericht, selbst wenn dies keine unmittelbare Auswirkung habe. So habe es bei Bayer nur 24 Prozent, bei Continental 68 Prozent und Beiersdorf 73 Prozent Zustimmung gegeben. Sie liegen damit unter der maßgeblichen Schwelle von 80 Prozent.

Kontakt zum Autor: unternehmen.de@dowjones.com

DJG/smh/sha

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May 03, 2022 07:46 ET (11:46 GMT)