Von Carol Ryan

NEW YORK (Dow Jones)--Selbst während der Corona-Pandemie wurden weltweit die üblichen 11 Milliarden Tonnen Lebensmittel pro Jahr produziert. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass diese Menge angesichts des Kriegs in der Ukraine gehalten werden kann.

Auf den internationalen Lebensmittelmärkten wird es wegen des Konflikts wahrscheinlich zu Engpässen kommen. Nach Angaben des International Food Policy Research Institute (IFPRI) liefern Russland und die Ukraine zusammen fast ein Drittel des weltweiten Weizens, ein Viertel der Gerste und fast drei Viertel des Sonnenblumenöls.


 
Viele Faktoren drücken Getreideproduktion 
 

Die Handelsaktivitäten in den ukrainischen Häfen sind seit Beginn der russischen Invasion am 24. Februar zum Erliegen gekommen. Und für die Landwirte wird es sich schwierig gestalten, im Spätsommer ihre Ernte einzufahren und Getreide zu exportieren, wenn sie durch die Kämpfe vom Land abgeschnitten sind. Die landwirtschaftlichen Erzeuger könnten auch mit Engpässen bei Treibstoff konfrontiert sein, der für militärische Zwecke benötigt wird.

Zwar sind die russischen Bauern nicht mit denselben physischen Hürden konfrontiert, aber die Wirtschaftssanktionen wirken sich bereits auf die Nachfrage nach landwirtschaftlichen Erzeugnissen des Landes aus. Die in die Höhe geschnellten Versicherungsprämien für Schiffe im Schwarzen Meer tragen ebenfalls zu den Kosten für Getreidelieferungen aus der Region bei. In der vergangenen Woche lag der Preis für russischen Weizen bei 405 US-Dollar pro Tonne, verglichen mit 460 Dollar für Weizen aus der EU und 539 Dollar für Weizen aus den USA, wie das US-Landwirtschaftsministerium mitteilte.


 
Wegen Corona ist die Lage sowieso schon angespannt 
 

Der jüngste Schock kommt zu den seit zwei Jahren anhaltenden Störungen im Zusammenhang mit Covid-19 hinzu. Nachdem Panikkäufer in den ersten Tagen der Pandemie die Supermarktregale leergekauft hatten, normalisierte sich die weltweite Versorgung mit Lebensmitteln überraschend schnell, aber sie bleibt angespannt. Nach Angaben der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) wird das weltweite Verhältnis von Lagerbeständen zu Verbrauchsmengen bei Getreide in diesem Jahr voraussichtlich 29 Prozent betragen. Zwar waren die Lagerbestände in der Vergangenheit schon einmal stärker dezimiert - während der Lebensmittelpreiskrise 2008 lag das Verhältnis bei nur 18,8 Prozent -, aber der heutige Stand markiert immer noch ein Achtjahrestief.

Andere große Getreideproduzenten können versuchen, einen Teil der russischen und ukrainischen Ausfälle zu kompensieren. Nach fünf aufeinanderfolgenden Rekordernten verfügt die indische Regierung über große Weizenvorräte, die exportiert werden könnten. Auch Australien hat in diesem Jahr eine sehr gute Ernte eingefahren, aber die Verschiffungskapazitäten sind knapp, und die Slots sind schon Monate im Voraus ausgebucht. Mangelnde Transportmöglichkeiten bedeuten, dass die Erzeuger des Landes Schwierigkeiten haben könnten, so viel Getreide auf die internationalen Märkte zu bringen, wie sie es gerne hätten.


 
Hohe Treibstoffkosten mit Folgen für die Lebensmittelproduktion 
 

Auch die Energiemärkte werden beeinflussen, wie die Landwirte auf Engpässe reagieren. Die hohen Lebensmittelpreise sind ein Anreiz für die Produktion, aber auch die Treibstoffkosten, die die Gewinnspannen der Landwirtschaft schmälern, sind nach oben geschnellt. Düngemittel haben sich ebenso stark verteuert. Vergangene Woche erklärte der norwegische Düngemittelriese Yara, dass seine europäische Ammoniak- und Harnstoffproduktion wegen der rekordhohen Erdgaspreise in der Region nur mit weniger als der Hälfte der normalen Kapazität läuft.

Die jüngste Bedrohung kommt zu einem Zeitpunkt, an dem die Preise für viele wichtige Nahrungsmittel bereits ein noch nie dagewesenes Niveau erreicht haben. So schätzen die Vereinten Nationen, dass die Krise in der Ukraine die internationalen Lebensmittelpreise im schlimmsten Fall um weitere 22 Prozent in die Höhe treiben könnte. Dies wird die Geschäftskosten für weltweit tätige Lebensmittelhersteller wie Nestlé und Kraft Heinz erhöhen, die diese Kosten wohl an die Verbraucher weitergeben dürften. Rekordernten in anderen Ländern der nördlichen Hemisphäre und niedrigere Energiepreise würden helfen, den Schmerz zu lindern. Letzteres scheint aber immer unwahrscheinlicher. Die Verbraucher müssen damit rechnen, dass sie mehr bezahlen müssen, um Lebensmittel auf den Tisch zu bekommen.

Kontakt zur Autorin: unternehmen.de@dowjones.com

DJG/DJN/axw/jhe

(END) Dow Jones Newswires

March 15, 2022 10:48 ET (14:48 GMT)