(neu: Entschuldigung von Braun, Lizenzen außerhalb Europas angestrebt, Finanzmarktkommunikation)

ASCHHEIM (dpa-AFX) - Der Zahlungsabwickler Wirecard reagiert mit einem Vorstandsumbau auf die nicht abreißende Kritik an der Art und Weise der Geschäftsführung. Konzernchef Markus Braun muss zumindest einen Teil seiner Macht abgeben, nachdem Ende April eine mit Spannung erwartete Sonderprüfung der Wirecard-Bücher durch KPMG nicht alle Zweifel an den Geschäftspraktiken des Zahlungsdienstleisters hatte ausräumen können. Braun entschuldigte sich laut Mitteilung vom Freitag nun auch bei allen "Aktionären, Kunden, Partnern und Mitarbeitern für die Turbulenzen der vergangenen Wochen und Monate". Die Anleger an der Börse reagierten positiv auf die Veränderungen.

Mit den Schritten dürfte das Unternehmen auch versuchen, verloren gegangenes Vertrauen der Investoren zurückzugewinnen - wohl auch weil unlängst bereits Rufe nach dem Rücktritt von Braun, der selbst rund sieben Prozent an Wirecard hält, laut geworden waren. So sieht sich der Konzern selbst zwar von den in der britischen Wirtschaftszeitung "Financial Times" laut gewordenen Vorwürfen des angeblichen Bilanzbetrugs entlastet, weil KPMG keine substanziellen Belege für Bilanzfälschung gefunden habe. Allerdings konnte der Bericht Teile der Vorwürfe weder ausräumen noch bestätigen. Stattdessen hagelte es von den Sonderprüfern deutliche Kritik am Willen des Konzerns, an der Maßnahme mitzuwirken. So seien Dokumente teils verspätet und in unzureichender Form bereitgestellt worden, Interviewtermine wurden demnach immer wieder verschoben.

Die Aktien gewannen denn auch am Freitagabend auf der Handelsplattform Tradegate im Vergleich zum Xetra-Schluss mehr als 9 Prozent auf fast 92 Euro. Allerdings hatten sie vor dem Kurseinbruch infolge der Ergebnisse der KPMG-Untersuchung noch fast 140 Euro gekostet.

Wie schon länger ankündigt schafft Wirecard ein Compliance-Ressort, das die Einhaltung von Gesetzen und Regeln überwachen soll. Wie der Konzern nun am Freitag in Aschheim bei München mitteilte, wird der Bereich auf der Vorstandsebene aufgehängt und soll vom 49-jährige Amerikaner James Freis geführt werden. Der Manager wird entsprechend zum 1. Juli in den Vorstand berufen. Der Vorsitzende des Aufsichtsrats, Thomas Eichelmann, zeigte sich erfreut, "dass ich mit Herrn Dr. James Freis einen international anerkannten Compliance Experten für die Wirecard AG gewinnen konnte".

Zudem wird der Vorstand um zwei weitere Sitze auf dann insgesamt sieben erweitert. In einem neu geschaffenen Vertriebsressort soll der zuständige Top-Manager sämtliche Vertriebsaktivitäten und -strategien steuern. Auch soll das ebenfalls für das Tagesgeschäft zuständige Ressort des Chief Operating Officer in seinen Zuständigkeiten neu aufgestellt und unter eine neue Leitung gestellt werden. Die in den vergangenen Jahren ebenfalls oftmals kritisierte Finanzmarktkommunikation soll überdies direkt beim Finanzchef Alexander von Knoop angesiedelt werden.

Wirecard-Chef Markus Braun wird sich den Angaben zufolge künftig auf die strategische Weiterentwicklung des Dax-Konzerns konzentrieren. Aufsichtsratschef Eichelmann, der erst im Januar Wulf Matthias an der Spitze des Kontrollorgans abgelöst hatte, versucht damit offenbar eine Neuordnung und breitere Verteilung der Macht, ohne Braun zu schassen. So hatte Eichelmann unlängst in einem Interview im "Handelsblatt" betont, dass eine Personaldebatte mit Blick auf Braun im Moment "in keinster Weise zum Wohl des Unternehmens" wäre.

Wie am Freitag nochmals betont wurde, will Wirecard nun auch in Märkten außerhalb Europas verstärkt eigene Lizenzen erwerben oder eigenlizenz-ähnlich Beziehungen eingehen. So hatte sich die Kritik von KMPG Ende April insbesondere auch auf das Geschäft mit Drittpartner der Bayern bezogen. "Ursächlich sind neben den Mängeln in der internen Organisation insbesondere die fehlende Bereitschaft der Third Party Acquirer, umfassend und transparent an dieser Sonderuntersuchung mitzuwirken", hatte es von den Prüfern geheißen./mis/he