Eine Auswahl an Kommentaren aus Tageszeitungen zu wichtigen Themen des Tages.

WIRECARD

Süddeutsche Zeitung: "Die Erfahrung aus dem in der Substanz ergebnislosen Auftritt des mutmaßlichen Haupttäters ist, dass es für Personen, die es geschafft haben, jahrelang Anleger, Politik, Prüfer und Aufseher hinters Licht zu führen, eine leichte Übung ist, eine Befragung durch gewählte Volksvertreter über sich ergehen zulassen. Das ist bitter. Und es wirft ein helles Licht auf ein Problem, das man schon aus anderen Betrugsskandalen großer deutscher Konzerne kennt, etwa Volkswagen. Mit der Moral der Konzernlenker ist es zu oft nicht weit her."

CORONA-HILFEN

Mitteldeutsche Zeitung: "Tatsächlich wirkt vieles an den überlebenswichtigen Hilfsprogrammen unkoordiniert und unvorbereitet. Zwar benötigten die Ministerpräsidenten nur wenige Tage, um den Teil-Lockdown zu beschließen. Doch die Hilfen für betroffene Branchen sind auch drei Wochen später noch nicht richtig auf der Schiene. Man könnte fast denken, die zweite Infektionswelle im Herbst und die nötigen Gegenmaßnahmen seien völlig unerwartet, aus heiterem Himmel gekommen."

EU-HAUSHALT

Mitteldeutsche Zeitung: "Auch sollte die EU nicht mehr kostbare Zeit damit verschwenden, Orbán und Kaczynski zu überzeugen. Das wird nicht gelingen. Wer ernsthaft behauptet, dass der vorgeschlagene Rechtsstaatsmechanismus eine 'deutsche Willkürmaßnahme aus Brüssel' sei oder eine 'Waffe' gegen jene Staaten, die gegen Migration sind, der disqualifiziert sich selbst und verabschiedet sich aus jedem faktenbasierten Diskurs. Der Rechtsstaatsmechanismus hat nichts, aber auch gar nichts mit der Migration zu tun. Es geht vielmehr darum, Verstöße gegen Grundwerte wie die Unabhängigkeit der Justiz zu ahnden, um dadurch EU-Geld vor Missbrauch zu schützen."

STÖRER IM BUNDESTAG

Frankfurter Rundschau: "Die Störaktion der 'Querdenker' im Bundestag wird möglicherweise strafrechtliche Folgen haben - für die Eindringlinge, aber auch für die Abgeordneten, die ihnen Zugang zum Parlament verschafft haben. Und das ist gut so. Denn was im Reichstag geschah, erfüllt möglicherweise den Straftatbestand der Nötigung. Und lässt sich nicht als 'unzivilisiertes' Verhalten mal eben so entschuldigen, wie AfD-Fraktionschef Alexander Gauland meint. Das weiß er auch. Deshalb behauptet er mit Unschuldsmiene, man habe nicht ahnen können, was passieren würde. Eine glatte Lüge. Der geplante Tabubruch war ein weiterer Akt in einem infamen Schauspiel, das die Fraktion wiederholt aufführt. Ihre Klientel weiß genau, was von solchen Inszenierungen zu halten ist. Die rechtsextreme Szene hat ihr Ziel der Aushöhlung der Demokratie erreicht und akzeptiert achselzuckend die Ahnungslosigkeit, die dann von der AfD vorgespielt wird. Dieser letzte Akt des Spiels dient nur dazu, das bürgerliche Publikum einzulullen:"

Tagesspiegel: "Der Verfassungsschutz sieht sich als 'Frühwarnsystem der Demokratie', folglich sollte er seine Antennen bei den zunehmend fanatisierten Corona-Leugnern schleunigst ausfahren. Die Republik muss, man kann es nicht oft genug wiederholen, bei Radikalisierung wachsamer werden. Was sich am Mittwoch in Berlin abgespielt hat, im Bundestag und auf der Straße, ist ein unübersehbares Warnzeichen. Der Staat darf nicht zögern, konsequent und mit fühlbarer Härte zu antworten."

GRÜNEN-PARTEITAG

Neue Osnabrücker Zeitung: "Schaut man auf die Umfragen, gibt ihnen der Erfolg recht. Die Partei erfreut sich anhaltend hoher Popularität. Und Robert Habeck will sogar um Platz eins kämpfen. Das fordert seinen Preis. Ob in Fragen der Gentechnik, der Polizei, der direkten Demokratie oder der Marktwirtschaft - überall schleifen die Grünen Ecken und Kanten ab und versuchen, in die politische Mitte zu rücken. Dort herrscht zwar schon Enge, doch hat keine andere Partei eine so eloquente und lässig-attraktive Führung wie die Grünen. Ganz anders die Union: Diese sei ein 'Scheinriese', sagt Habeck - und hat womöglich recht. Wir erinnern uns: Bei 'Jim Knopf' gibt es den Scheinriesen Tur Tur. Er wirkt aus der Ferne riesig, schrumpft bei näherer Betrachtung aber auf Normalmaß. Übertragen auf die Union heißt das: Angela Merkel lässt die Union größer erscheinen, als sie ist. Geht sie, eröffnet dies den Grünen viel Platz zur Entfaltung."

Stuttgarter Zeitung: "Die Grünen haben sich zu einer professionellen Regierungspartei entwickelt, die weiß, wie man mit der Macht umgeht und sie bewahrt. Was aber passiert, wenn eine Partei ihren Markenkern verliert, ist am Niedergang der SPD zu beobachten. In dieser Situation sind die Grünen noch nicht. Aber mit pseudoradikaler Rhetorik ('Radikal ist das neue Realistisch') a la Habeck stellen sich die Grünen selbst bloß, wenn wenig daraus folgt. Dann gibt es echten Grund zur Sorge."

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November 20, 2020 14:21 ET (19:21 GMT)