(neu: Schlusskurse)

FRANKFURT (dpa-AFX) - Der Kurssturz der Wirecard-Aktien ist am Freitag etwas abgebremst worden. Vorstandschef Markus Braun trat im Zuge des Bilanzskandals inzwischen mit sofortiger Wirkung zurück. Zudem verhandelt der Zahlungsabwickler nun mit seinen Banken über die weitere Gestaltung der Geschäftsbeziehungen. Das Unternehmen befinde sich in konstruktiven Gesprächen, teilte Wirecard am Nachmittag mit.

Zum Handelsschluss belief sich das Minus auf rund 35 Prozent, nachdem die Anteile am späten Vormittag zeitweise um mehr als 50 Prozent abgestürzt waren auf unter 20 Euro. Am Donnerstag waren sie bereits um fast 62 Prozent in die Tiefe gerauscht, nachdem Wirecard wegen milliardenschwerer Unklarheiten in der Bilanz seinen Jahresabschluss erneut nicht vorlegt hatte. Das war der zweitgrößte Tagesverlust eines Dax-Wertes in der fast 32-jährigen Geschichte des deutschen Leitindex.

Unregelmäßigkeiten in der Bilanz stellten für einen Zahlungsabwickler wie Wirecard den wohl größten anzunehmenden Unfall, den GAU schlechthin dar, kommentierte Analyst Jochen Stanzl vom Broker CMC Markets.

Die Bilanzprüfer haben Zweifel an der Existenz von 1,9 Milliarden Euro, die auf Treuhandkonten in Asien verbucht worden sein sollen. "Müssen die 1,9 Milliarden abgeschrieben werden, ist der Nettogewinn der vergangenen zehn Jahre futsch", rechneten die Autoren des täglichen Bernecker-Börsenbriefs aus.

Ex-Wirecard-Vorstandschef Markus Braun sieht das Unternehmen derweil womöglich in einen Betrugsfall verstrickt. Allerdings gibt es schon länger Kritik an den Bilanzen des Konzerns, die auch eine Sonderprüfung durch die KPMG nicht hatte ausräumen können.

Analysten wie Mirko Maier von der Landesbank Baden-Württemberg hatten sich verwundert gezeigt über die erneute Verschiebung der Bilanzvorlage. Noch am 25. Mai habe Wirecard kommuniziert, dass für die Bilanz 2019 ein uneingeschränktes Testat erwartet werde, schrieb Maier in einer Studie. Insofern überrasche die Meldung mit den Täuschungsvorwürfen. Immer mehr Analysten äußern sich kritisch zu dem Zahlungsabwickler und raten zum Verkauf oder setzen die Bewertung erst einmal aus. Letzteres tat auch Maier.

Derweil geht das Rätselraten um die Treuhandkonten in Asien weiter. Die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtete am Freitag zunächst, dass zwei philippinische Banken auf Anfrage Kundenbeziehungen mit Wirecard verneinten, obwohl sie im Zusammenhang mit den Treuhandkonten genannt worden sein sollen.

Inzwischen erklärte die philippinische Bank BDO Unibank, bei der angeblich eines von zwei fraglichen Treuhandkonten für Wirecard geführt wurde, dass das deutsche Unternehmen kein Kunde sei: "Das Dokument, in dem die Existenz eines Wirecard-Kontos bei BDO behauptet wird, ist ein manipuliertes Dokument, das gefälschte Unterschriften von Bankangestellten trägt", hieß es in der Stellungnahme des in der Stadt Makati ansässigen südostasiatischen Geldhauses. "Der Fall ist an die Zentralbank der Philippinen berichtet worden."

Aktuelle Analystenkommentare zu Wirecard fallen verheerend aus. Am Freitag strich die Investmentbank Oddo BHF das Kursziel von 120 auf 35 Euro zusammen. Der Experte Stephane Houri sprach von einer "großen Katastrophe"./mis/ajx/fba/la/he