Berlin (Reuters) - Der parlamentarische Untersuchungsausschuss zum milliardenschweren Wirecard-Bilanzskandal wirft dem Bundesfinanzministerium vor, zahlreiche Dokumente zur Aufsichtsbehörde BaFin zu lange zurückgehalten zu haben.

Zwei Staatssekretäre aus dem SPD-geführten Ministerium wurden am Donnerstag in den Bundestag zitiert, um die Umstände zu erklären. Sie sagten zu, weitere Unterlagen zeitnah zu liefern. Der Disput überschattet die für Freitag geplante Aussage von Vertretern der in der Kritik stehenden Aufsichtsbehörde BaFin.

"Wir fühlen uns in unserer Arbeit behindert", sagte CSU-Finanzpolitiker Hans Michelbach. Der öffentlich überlieferte Aufklärungswille von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) sei nicht mehr als ein "reines Lippenbekenntnis". Erst jetzt - rund ein halbes Jahr nach der Anforderung - sind diese Woche 107 Akten an den Ausschuss übermittelt worden, davon ein großer Teil zur Führungsebene der Bonner Finanzaufsicht.

"Es ist seit Monaten bekannt, dass diese Akten für die Aufklärung und Arbeit des Untersuchungsschusses sehr relevant sind", sagte der Grünen-Politiker Danyal Bayaz zu Reuters. "Es gibt keinen sachlichen Grund, warum diese Akten nun so kurzfristig zur Verfügung gestellt wurden. Es entsteht der Eindruck, dass das Bundesfinanzministerium die Aufklärung und Arbeit des Untersuchungsausschusses sabotieren möchte." FDP-Finanzpolitiker Florian Toncar ergänzte, hinter der erneut späten Übermittelung der Dokumente stehe Methode, "aber noch nie in diesem Umfang". So sei es kaum möglich, bis Juni den Abschlussbericht zu dem Fall zu verfassen.

Das Finanzministerium teilte auf Anfrage mit, den Ausschuss "sorgfältig, detailliert und so zügig wie möglich" zu informieren. Insgesamt seien in den vergangenen Wochen und Monaten bereits über 1000 Ordner übersandt worden. Laut Teilnehmern sagten die beiden Staatssekretäre zu, alle restlichen Akten bis Ende nächster Woche zu liefern. Die Dokumente seien zum Teil deckungsgleich mit anderen Unterlagen, teilweise sei das Finanzministerium auf Freigaben anderer staatlicher Stellen angewiesen gewesen.

Der BaFin wird vorgeworfen, in dem Skandal weitgehend versagt zu haben. Die mittlerweile geschasste BaFin-Spitze soll am Freitag im Bundestag vernommen werden, zuerst die für die Wertpapieraufsicht zuständige Exekutiv-Direktorin Elisabeth Rögele, danach BaFin-Präsident Felix Hufeld. Fabio De Masi von den Linken sagte, womöglich werde die Befragung kurzfristig abgesagt. Auch ein Zusatztermin sei denkbar.

Wirecard war im Juni 2020 nach der Aufdeckung eines 1,9 Milliarden Euro großen Lochs in der Bilanz in die Pleite gerutscht. Die Münchner Staatsanwaltschaft wirft mehreren Ex-Managern unter anderem gewerbsmäßigen Bandenbetrug, Bilanzfälschung und Marktmanipulation vor. Es ist einer der größten Finanzskandale in der deutschen Nachkriegszeit. Der Fall könnte für SPD-Kanzlerkandidat Scholz unangenehm im Wahlkampf werden.