Von Andreas Kißler

BERLIN (Dow Jones)--Die Unions-Mitglieder im Wirecard-Untersuchungsausschuss haben Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) Versäumnisse in dem Skandal um den mittlerweile insolventen Zahlungsdienstleister vorgeworfen und ihn aufgefordert, dafür die politische Verantwortung zu tragen. "Auch die politische Führung muss nun endlich Verantwortung übernehmen", verlangte der Vize-Ausschussvorsitzende Hans Michelbach (CSU) bei einer Pressekonferenz. Scholz sei "zweifelsfrei" über alle Vorgänge informiert gewesen und stehe "damit auch im Zwielicht".

In welcher konkreten Form Scholz und sein Staatssekretär Jörg Kukies ihrer Verantwortung nachkommen sollten, ließ der CSU-Finanzexperte aber auf Nachfrage offen. Nur mit "Bauernopfern" wie dem Rücktritt von Beamten sei es aber nicht getan. "Da hat die Öffentlichkeit einen anderen Anspruch." Nicht zu akzeptieren sei, wenn keine Fehler eingeräumt würden. Auch zeige das Finanzministerium in dem Ausschuss keinerlei Aufklärungswillen.

Scholz soll dem Ausschuss am Donnerstag kommender Woche Rede und Antwort stehen, einen Tag, bevor auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) befragt wird. Die Vernehmung von Kukies ist für nächsten Mittwoch geplant.

Die Unions-Abgeordneten warfen Scholz vor, sein Ministerium habe zwar die Rechts- und Fachaufsicht über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin), habe diese Fachaufsicht aber offenbar nicht ausgeübt. Auch habe es keinerlei Geldwäscheaufsicht gegeben. Zudem sei mit dem von der Bafin ausgerufenen, unbegründeten Leerverkaufsverbot für Wirecard-Aktien "in Kenntnis des Bundesfinanzministeriums" ein fatales Signal an den Markt gesandt worden, sagte der Unions-Obmann im Ausschuss, Matthias Hauer (CDU). Er wolle intensiv nachhaken, was für Fehler passiert seien, und sich ein Bild machen, "ob es da auch ein persönliches Verschulden gibt".

Oppositionsvertreter aus dem Wirecard-Untersuchungsausschuss hatten Scholz bereits vergangenen Monat Versäumnisse bei der Aufklärung des Bilanzskandals vorgeworfen und die nächsten Wochen als entscheidend für die weitere Bewertung von Scholz' Rolle bezeichnet. In dem Skandal rückt zunehmend die Rolle der Politik ins Zentrum. Dabei geht es auch um Merkels Rolle wegen des Engagements für Wirecard bei einer China-Reise im Herbst 2019 und um die politische Verantwortung von Scholz für die Finanzaufsicht Bafin.

Merkel hatte im September 2019 Ambitionen von Wirecard zum Einstieg in den dortigen Markt bei hochrangigen Gesprächen in Peking zur Sprache gebracht, nachdem sich unter anderem Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg bei ihr zugunsten von Wirecard eingesetzt hatte.

Bei dem damaligen DAX-Unternehmen Wirecard waren im Juni 2020 Luftbuchungen von fast 2 Milliarden Euro öffentlich geworden, es befindet sich mittlerweile in einem Insolvenzverfahren. Ex-Wirecard-Chef Markus Braun sitzt in Haft, Ex-Vorstandsmitglied Jan Marsalek ist flüchtig.

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April 14, 2021 06:00 ET (10:00 GMT)