"Laut unseren Schätzungen hätten die voraussichtlichen Forderungen aus beantragten Insolvenzverfahren auf 60 bis 100 Milliarden Euro steigen müssen, wenn man historische Zusammenhänge zwischen Konjunktur und Insolvenzgeschehen fortschreibt", erläutert Ifo-Experte Timo Wollmershäuser am Freitag zu der Kurzexpertise seines Instituts für das Bundesfinanzministerium. Tatsächlich seien es aber 48 Milliarden Euro gewesen, nach 34 Milliarden Euro im Jahr 2019.

Zu diesem Anstieg sei es allerdings nur durch die Insolvenz der Wirecard AG im Zuge ihres Bilanzskandals gekommen, die den Ifo-Angaben zufolge mit knapp 13 Milliarden Euro zu Buche schlug. Sie sei aber keine unmittelbare Folge der Coronakrise und des damit einhergehenden Konjunktureinbruchs gewesen. Der Zahlungsdienstleister war im Juni 2020 nach Bekanntwerden milliardenschwerer Luftbuchungen in die Pleite gerutscht.

Die Antragspflicht für Insolvenzen war wegen der Corona-Pandemie seit 1. März 2020 ausgesetzt. Das habe eine Zunahme der Insolvenzen verhindert, erklärte das Ifo-Institut. Zudem hätten die staatlichen Hilfsmaßnahmen das Insolvenzrisiko im Schnitt um knapp 25 Prozent gesenkt. Der größte Effekt gehe von den staatlichen Zuschüssen für Unternehmen aus, die 2020 im Rahmen der Corona-Hilfen im Umfang von mehr als 40 Milliarden Euro ausgezahlt worden seien. Diese hätten den Gewinneinbruch bei den Unternehmen unmittelbar reduziert. Durch das Kurzarbeitergeld und einen stärkeren Rückgang der geringfügig Beschäftigten hätten Unternehmen außerdem weniger Personalkosten gehabt. Schließlich hätten auch die steuerlichen Liquiditätshilfen das Insolvenzrisiko reduziert.

"In welchem Umfang sich das im vergangenen Jahr kumulierte Insolvenzrisiko später in tatsächliche Insolvenzen umwandelt, kann auf Basis der Modellprognose nicht abschließend beantwortet werden", sagte Wollmershäuser. Als die Insolvenzantragspflicht im Frühjahr 2021 wieder in Kraft getreten sei, habe das Insolvenzgeschehen zumindest spürbar zugenommen. Allein bis August 2021 summieren sich die voraussichtlichen Forderungen aus beantragten Insolvenzverfahren auf 47 Milliarden Euro.