Die EZB räumt den wirtschaftlichen Risiken bedingt durch den russischen Angriff gegen die Ukraine den Vorrang ein. Das Programm zum Ankauf von Vermögenswerten (APP) wird zwar rascher reduziert als ursprünglich kommuniziert, aber ein definitives Ende der Nettokäufe wird noch nicht genannt. Das wäre aus unserer Sicht aber notwendig.

Konkret wird im April das APP auf 40 Mrd. Euro erhöht, aber im Mai auf neu 30 Mrd. reduziert. Im Juni sollen es dann nur noch 20 Mrd. sein. Eine Einstellung der Anleihekäufe wäre dann in Abhängigkeit von den Wirtschaftsdaten im dritten Quartal möglich.

Eine erste Zinserhöhung könnte einige Zeit nach dem Stopp der Anleihekäufe erfolgen. Die Wortwahl lässt nicht auf eine Erhöhung der Leitzinsen im laufenden, sondern erst im kommenden Jahr schliessen. Die EZB räumt sich also ein hohes Mass an Flexibilität ein. Auch der Verlauf des Kriegs in der Ukraine wird die Geldpolitik bestimmen.

Die heute ebenfalls veröffentlichten Projektionen der EZB-Volkswirte sehen für das laufende Jahr eine Inflationsrate von 5.1 % vor. Im kommenden Jahr soll sie bei 2.1 % liegen und 2024 bei 1.9 %. Die Projektionen beinhalten auch Alternativszenarien mit einem deutlich höheren Energiepreisanstieg. Alle Szenarien sehen vor, dass die Inflationsrate 2024 leicht unterhalb des EZB-Ziels von 2% liegt.

Die EZB wäre besser beraten, ein klares Bekenntnis zum Stopp der Anleihekäufe abzulegen. Die Käufe im Rahmen des APP passen schon heute nicht mehr ins Gefüge. Ein Ende würde den Währungshütern ermöglichen, rasch mit einer Zinserhöhung auf die Inflationsentwicklung zu reagieren. Solange aber die ultra-expansive Geldpolitik in Kraft ist, bedarf es eines Vorlaufs, weil in einem ersten Schritt zunächst die Wertpapierkäufe gestoppt werden müssen. Damit verstreicht wertvolle Zeit.

Die EZB-Projektionen unterschätzen das Risiko von Zweitrundeneffekten. Die US-Notenbank musste in ihrer Historie eine ähnlich schmerzliche Erfahrung machen. In den 1970er Jahren war es die Fed unter dem damaligen Vorsitzenden Arthur Burns, die versuchte, den ersten Ölpreisschock mit einer expansiven Geldpolitik abzufedern.

Burns liess die Inflationsrate um zentrale Elemente wie Energie- und Nahrungsmittelpreise bereinigen. «Nehmt das alles raus», war seine Anweisung. Doch die Rechnung ging nicht auf. Erfolgreicher waren hingegen die damalige Deutsche Bundesbank und die Schweizerische Nationalbank. Beide richteten sich am Statut der Preisstabilität aus und konnten mit einer entsprechend restriktiven Geldpolitik die Inflation während des zweiten Ölpreisschocks im Zaun halten.

Heute ist es die Fed, die auf die Bremse tritt, während die EZB dem Motto von «Nehmt das alles raus» folgt.

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VP Bank AG published this content on 10 March 2022 and is solely responsible for the information contained therein. Distributed by Public, unedited and unaltered, on 10 March 2022 15:23:04 UTC.