WIESBADEN/BERLIN (awp international) - Die deutsche Industrie hat sich im Mai etwas von dem scharfen Einbruch in der Corona-Krise erholt. Die Produktion des verarbeitenden Gewerbes stieg gegenüber dem Vormonat um 7,8 Prozent, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag in Wiesbaden mitteilte. Analysten hatten jedoch im Schnitt mit einem stärkeren Zuwachs um 11,1 Prozent gerechnet. Im März und April war die Produktion massiv gefallen.

Dass die Krise immer noch schwer wiegt, zeigt der Jahresvergleich. Gegenüber dem Vorjahresmonat war die Gesamtherstellung um 19,3 Prozent rückläufig. Das Vorkrisenniveau wird immer noch klar unterschritten: Gegenüber Februar liegt die Gesamtproduktion 19 Prozent tiefer, die Autoproduktion ist sogar nur halb so hoch. Im Februar waren die massiven Einschränkungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie in Deutschland noch nicht in Kraft.

Besonders deutlich erholte sich im Mai mit gut 10 Prozent zum Vormonat die Warenherstellung in der Industrie. Diese war in der Krise aber auch am stärksten eingebrochen. Es wurden vor allem Investitionsgüter wie Maschinen wieder deutlich mehr produziert, während die Herstellung von Vorleistungsgütern nicht vom Fleck kam. Die Energieproduktion stieg leicht an, ebenso die Aktivität am Bau.

"Die Industrieproduktion dürfte ihren Tiefpunkt überwunden haben", erklärte das Bundeswirtschaftsministerium. Dennoch seien die Kapazitäten weiterhin deutlich unterausgelastet. Der am Montag gemeldete Zuwachs bei den industriellen Auftragseingängen deute auf eine weiter anziehende Produktion in den kommenden Monaten hin. "Allerdings bleibt vor allem die Entwicklung der Auslandsnachfrage ein Risiko für die weitere Erholung", schränkte das Ministerium ein.

Bankanalysten zeigten sich von den Zahlen enttäuscht. "Nach den herben Rückgängen der Vormonate hatten wir mehr erwartet", kommentierte Jens-Oliver Niklasch von der Landesbank Baden-Württemberg. Die Entwicklung zeige, dass zwar die wirtschaftlichen Frühindikatoren stark zulegten, die Erholung in der Realwirtschaft aber langsamer vonstatten gehe.

Ähnlich enttäuscht äusserte sich Thomas Gitzel, Chefökonom der Liechtensteiner VP Bank. Letztlich zähle jedoch die Botschaft, dass die Wirtschaft nach dem Lockdown wieder Fahrt aufnehme. Nach dem epochalen Absturz der Produktionszahlen im März und April sei die Erholung zu begrüssen, auch wenn sie schwächer ausgefallen sei als erhofft.

Unterdessen erwarten die Industrieunternehmen in den kommenden drei Monaten mehrheitlich eine Zunahme ihrer Produktion, wie das Münchner Ifo-Institut mitteilte. Der Produktionsindikator stieg im Juni auf plus 4,3 Punkte, nach minus 19,5 im Mai. Erstmals nach drei Monaten überwiegt damit der Anteil an Unternehmen, die ihre Produktion ausweiten wollen.

In der Autoindustrie herrscht laut Ifo-Institut Aufbruchstimmung. Der Index sprang in diesem Sektor auf plus 50 Punkte, nach plus 24 Punkten im Mai. Deutlich negativer sind die Erwartungen noch bei den Maschinenbauern, für die sich die Lage nur unwesentlich verbessert hat: Die Mehrheit der befragten Unternehmen rechnet nicht mit einer Ausweitung der Produktion in den nächsten drei Monaten. Der Produktionsindex lag im Juni bei minus 26 Punkten, nach minus 33 im Mai./bgf/cho