LUXEMBURG/BOCHUM (awp international) - Der Immobilienriese Vonovia prüft einen Einstieg bei dem in schweres Fahrwasser geratenen Branchenrivalen Adler Group . Die Bochumer haben sich in einer Vereinbarung mit dem Adler-Grossaktionär Aggregate Holdings das Recht gesichert, einen Anteil von 13,3 Prozent an Adler zu erwerben, wie es vom Luxemburger Immobilieninvestor am späten Donnerstagabend hiess. Zieht Vonovia die Kaufoption, würde sich der Anteil von Aggregate an Adler damit halbieren. Die Aktie der Adler Group zog nach ihrem Absturz vom Mittwoch weiter an.

Nach dem Handelsstart stieg der Kurs am Freitag um knapp 12 Prozent auf 12,92 Euro. Vonovia teilte am Freitagmorgen mit, die Kaufoption zu 14 Euro je Aktie über die nächsten 18 Monate ausüben zu können. Mit dem Finanzdeal habe man eine Gelegenheit im Markt ergriffen. Ohne Zeitdruck könne man nun den Immobilienbestand der Adler Group prüfen auf diese Weise entscheiden, ob ein Einstieg bei Adler für das Unternehmen Sinn mache oder nicht.

Die Immobilienbranche habe kein Interesse an einer instabilen Adler Group, hiess es von den Bochumern weiter. Zusammen mit involvierten Banken habe das Unternehmen einen Kredit an die Aggregate Holdings zu marktüblichen Konditionen verlängert. Das Kreditvolumen bewege sich im niedrigen dreistelligen Millionen-Euro-Bereich.

Händler begründeten die deutlichen Adler-Kursgewinne am Freitag unter anderem damit, dass nun diejenigen Anleger, die zuvor in grossem Stil auf fallende Kurse der Adler-Aktien gewettet hatten, Papiere zurückkaufen und damit ihre Positionen glattstellen müssten, um grössere Verluste zu vermeiden. Allerdings kamen am Markt auch Zweifel auf, warum Vonovia nur eine Kaufoption erworben hat, statt die Aktien direkt zu erwerben.

Mit dem Kursplus vor dem Wochenende holt das Papier die schweren Verluste von Mittwoch weiter auf: Da hatte der Leerverkäufer und Börsenspekulant Fraser Perring mit seiner Firma Investmentfirma Viceroy schwere Vorwürfe gegen das Unternehmen erhoben, der Kurs war daraufhin um ein Viertel auf 10 Euro abgestürzt - die Aktie hatte zuvor sogar ein Rekordtief bei nur noch 9,02 Euro markiert. Adler wies die Beschuldigungen von Viceroy "auf das Schärfste" zurück.

Aber auch zuvor war die Woche für die Adler-Anleger bereits ereignisreich. Das Unternehmen hatte am Montag eine mögliche Neuausrichtung bekanntgegeben und einen Verkauf von grossen Teilen des eigenen Geschäfts in Aussicht gestellt. Mehrere institutionelle Interessenten hätten Angebote für Teile des Mietportfolios des Immobilienkonzerns abgegeben, hiess es da.

Zuvor war der Aktienkurs des Unternehmens im September deutlich abgerauscht und hatte in dem einen Monat fast 35 Prozent verloren, obwohl das Management Ende August mit den Halbjahreszahlen die eigenen Gewinnziele hochgeschraubt hatte. Zu Beginn dieses Jahres war die Aktie noch fast 30 Euro wert.

Die Adler Group ist aus einem Zusammenschluss von Ado Properties, Adler Real Estate und des Berliner Projektentwicklers Consus Real Estate entstanden. Ado Properties hatte hierbei Adler Real Estate übernommen und dann Consus geschluckt. Im Dezember 2019 hatte Ado den Deal mit Adler veröffentlicht. Das kombinierte Unternehmen wurde dann in Adler Group umbenannt und hat den operativen Hauptsitz in Berlin.

Der Zusammenschluss des Konzerngebildes steht aber in der Kritik. Die Partei Die Linke hatte als Reaktion auf Medienberichte von Ende August dieses Jahres, wonach Anleger bei dem komplexen Deal geschädigt worden sein könnten, eine kleine Anfrage an die Bundesregierung gerichtet. Adler selbst gibt an, bei der Fusion vollständig transparent gewesen zu sein.

Analysten sehen die Aktie derzeit mit Skepsis. Sander Bunck von der britischen Barclays-Bank sah auch nach dem Kurssturz am Mittwoch weitere Risiken für Investoren in dem Papier. Die schlechte Kursentwicklung führte er in einer am Donnerstag vorliegenden Studie zum einen darauf zurück, dass die Linke die Fusion untersuchen wolle. Der Bericht von Viceroy weiche in den wesentlichen Punkten nicht wesentlich von dem ab, worauf Barclays zuvor auch bereits hingewiesen habe, schrieb Bunck. Auch bei niedrigem Kursniveau bleibe ein bedeutendes Risiko für Investoren.

Die Investmentanalysten von JPMorgan setzten die Beobachtung der Aktie am Freitag aus. Den gleichen Schritt taten die Experten von Kepler Cheuvreux. Die Vorwürfe an das Unternehmen sollten in einer unabhängigen Prüfung untersucht werden, um Unsicherheiten auszuräumen, schrieb Analyst Thomas Neuhold. Gleichwohl teile er nicht die Ansicht, dass Adler bei der Darstellung eigener Vermögenswerte masslos übertrieben habe./men/he/lew/mis