Von Ulrike Dauer

FRANKFURT (Dow Jones)--Ambitioniertere Klimaziele und der vom Bundesverfassungsgericht kassierte Mietendeckel könnten dafür sorgen, dass im deutschen Wohnimmobiliensektor die Karten neu gemischt werden. Doch bevor sich die beiden DAX-Konzerne Vonovia und Deutsche Wohnen zusammentun, um sich gemeinsam für die anstehenden politischen und ökonomischen Herausforderungen zu wappnen, gilt es einige Hürden zu bestehen. Mindestens vier zeichnen sich ab:

1 AKTIONÄRE VON DEUTSCHE WOHNEN ÜBERZEUGEN: Die Mindestannahmeschwelle beträgt 50 Prozent, sie ist also vergleichsweise niedrig. Dass selbst das verfehlt werden kann, haben beide Unternehmen bereits einmal 2015/2016 bewiesen, als Vonovia die Deutsche Wohnen SE, damals noch im MDAX, für 14 Milliarden Euro übernehmen wollte. Am Ende musste Vonovia-CEO Rolf Buch verkünden, dass nur 30,4 Prozent der Deutsche-Wohnen-Aktien angedient worden waren und die Fusion nicht zustande kam.

Die handelnden Personen sind heute dieselben, doch stellt sich die Situation anders dar: Vonovia bietet mit gut 18 Milliarden Euro mehr an. Deutsche Wohnen hat mit dem 14 Monate währenden Berliner Mietendeckel aus Unternehmenssicht schmerzlich erfahren, welche Risiken ein zu starker lokaler Fokus birgt.

Die klimagerechte Sanierung von Wohnraum, zu der die Politik die Branche verpflichtet, kostet in den kommenden Jahren außerdem eine Menge Geld. Deutsche-Wohnen-CEO Michael Zahn, der 2015/16 das Zusammengehen noch abgelehnt hat, ist nun mit im Boot. Ebenso Vorstand und Aufsichtsrat. Zahn versüßt wird dies durch die Aussicht, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des fusionierten Konzerns zu werden. Zahn zeigte sich am Dienstag überzeugt, dass viele Aktionäre das Angebot annehmen werden. Buch stellte zudem in Aussicht, dass die Börsennotierung - abhängig von der Annahmequote - erhalten bleiben könnte.

2 KARTELLBEHÖRDEN ÜBERZEUGEN: Die Kartellbehörden werden - wie in anderen Branchen - genau hinsehen, wieviel mehr Marktmacht und weniger Wettbewerb regional und lokal durch eine Fusion beider Unternehmen entstehen würde. Zwar hat Deutsche Wohnen mit gut 110.000 Wohnungen im Großraum Berlin 76 Prozent seines Wohnungsportfolios in der Hauptstadt. Doch das restliche Portfolio konzentriert sich auf die Metropolregionen Frankfurt, Dresden/Leipzig, Hannover/Braunschweig, sowie Köln/Düsseldorf, in denen auch Vonovia stark vertreten ist. Bei Vonovia macht Deutschland, trotz Zukäufen in Österreich und Schweden, mit 354.000 Wohnungen immer noch 86 Prozent des Portfolios aus. Ein Ausbau des Development-Geschäfts könnte hier helfen. Buch selbst sieht keine kartellrechtlichen Probleme. Mit insgesamt mehr als 500.000 Wohnungen sei der Anteil des fusionierten Konzerns am gesamten Mietwohnungsbestand von 20 Millionen in Deutschland klein, auch in großen Städten. In Berlin etwa sei der kommunale Wohnungssektor doppelt so groß wie das neue Unternehmen.

3 WEITERE INTEGRATION STEMMEN: Vonovia muss mit dem Zusammengehen mit den Berlinern eine weitere Integration stemmen - diesmal im Inland. Dass Vonovia Kosten senken kann, hat der Konzern in der Vergangenheit gezeigt. Laut Investorenpräsentation zum ersten Quartal hat Vonovia in seinem deutschen Portfolio zwischen 2013 und 2021 die bereinigte EBITDA-Operations-Marge auf 82 Prozent verbessert von 61 Prozent und die Kosten pro Wohneinheit im Schnitt mehr als halbiert.

Dies soll über eine einheitliche IT-Plattform, bessere Konditionen beim Einkauf, gemeinsame Bewirtschaftung, zusätzliche Dienstleistungen durch Vonovias eigene Handwerkerorganisation sowie weitere Standardisierung bei Modernisierung und Instandhaltung geschehen. Das deutsche Portfolio ist zwischen 2014 und 2018 über Zukäufe entstanden. Seit 2017 hat Vonovia in Österreich und Schweden, sowie in kleinem Maßstab Portfoliobeteiligungen in Frankreich und den Niederlanden erworben.

4 NEUANFANG IN BERLIN: Den ersten Schritt zum Neuanfang in Berlin haben die Konzerne am Dienstag mit Berlins Regierendem Bürgermeister Michael Müller angestoßen. Müller äußerte sich positiv, der Senat und die beiden Firmen verfolgten ein "gemeinsames Interesse" im Bereich der Mietenstabilität.

Beide Unternehmen haben sich zu Augenmaß bei Mietsteigerungen und Klimaschutz-Modernisierungsumlagen verpflichtet. In Berlin wollen sie bis 2026 reguläre Mietsteigerungen im Portfolio auf maximal 1 Prozent begrenzen und sie 2027 und 2028 nur im Rahmen des Inflationsausgleichs erhöhen. Die Modernisierungsumlage für den Klimaschutz soll maximal 2 Euro pro Quadratmeter betragen. Der Neubau soll forciert, Wohnraum für junge Familien gefördert und Prävention von Obdachlosigkeit verstärkt werden. Zudem kann Berlin 20.000 Wohnungen aus dem Portfolio erwerben und habe somit laut Müller mehr Einfluß auf stabilere Mieten.

Kontakt zur Autorin: ulrike.dauer@wsj.com; @UlrikeDauer_

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May 25, 2021 08:35 ET (12:35 GMT)