Der Konzernchef verwies am Dienstag vor den Aktionären auf die Sparprogramme, die inzwischen alle Marken aufgelegt hätten, um die riesigen Investitionen in die Elektromobilität und die Neuausrichtung des Konzerns zu stemmen. Damit verbunden sei ein stärkerer Fokus auf das automobile Kerngeschäft. "Wir überprüfen, ob wir noch der beste Eigentümer für die unterschiedlichen Geschäfte sind", sagte der Konzernchef auf der Hauptversammlung in Berlin.

Damit will Volkswagen auch seinem Aktienkurs auf die Sprünge helfen, der durch die Dieselkriese gelitten hat. Bei dem Niveau von zuletzt 150,30 Euro je Stamm- und 148,60 Euro je Vorzugsaktie sei der Dax-Konzern weiterhin unterbewertet. "Wir sehen viel Potenzial für einen höheren Unternehmenswert, das wir Schritt für Schritt heben werden", versprach Diess.

Den Anfang hat der Vorstand mit der Entscheidung gemacht, die Lkw-Tochter Traton mit den beiden Herstellern MAN und Scania nun doch möglichst noch vor der Sommerpause an die Börse zu bringen. Die Weichen dafür stellte der Aufsichtsrat am Vorabend der Hauptversammlung. Der Schritt hänge von der weiteren Entwicklung des Kapitalmarktes ab, schränkte Volkswagen ein. Erst im März hatte der Vorstand einen Teilbörsengang von Traton abgesagt und dies mit dem schlechten Marktumfeld begründet. Worin die Hoffnungen auf eine nun erfolgreiche Platzierung trotz des schwierigen Umfelds begründet sind, ließ der Konzern offen.

Als weiteren Schritt kündigte das Management an, Lösungen für Randbereiche wie die Großmotorentochter MAN Energy Solutions und den Getriebehersteller Renk zu suchen. Die Möglichkeiten reichen von Gemeinschaftsunternehmen über Partnerschaften bis hin zu einem Verkauf. Reuters hatte kürzlich unter Berufung auf mehrere Insider berichtet, der Konzern habe bereits begonnen, mögliche Interessenten für den Hersteller von großen Schiffsmotoren und Stromgeneratoren anzusprechen.[L5N22I2EL]

Volkswagen gilt mit seinen zwölf Marken beim Wechsel in die von IT und Software dominierte Elektromobilität als schwer steuerbar. Zudem benötigt das Unternehmen Liquidität, weil bei der Aufarbeitung des Dieselskandals bereits viele Milliarden Euro abgeflossen sind.

NOCH BALLAST

Diess kritisierte, der Konzern kämpfe an einigen Stellen noch mit schwerfälligen Strukturen, komplexen Prozessen und hohen Kosten. "Hier gibt es viel zu tun. Großen Ballast können wir uns auf Dauer nicht leisten." Deshalb mache er persönlich Tempo bei der Transformationen des Unternehmens. "Der Volkswagen Konzern wird transparenter und beweglicher, effizienter, innovativer und profitabler – darum geht es auf unserem Weg." 2019 werde dafür ein entscheidendes Jahr. Volkswagen will die Kosten bis 2023 um weitere knapp sechs Milliarden Euro drücken, um die Rendite zu steigern und die nötigen Investitionen zu stemmen. In der Verwaltung sollen bis zu 7000 Stellen durch Altersteilzeit wegfallen. Gleichzeitig soll die Produktivität der Werke weiter gesteigert werden.

Als weiteres Großprojekt beschloss der Aufsichtsrat den Einstieg in eine eigene Batteriezellfertigung am Standort in Salzgitter. Dort verfügt VW bereits über eine Pilotanlage für eine Akkufertigung. Für knapp eine Milliarde Euro soll nun eine Fabrik entstehen, die anfangs rund 700 Mitarbeiter beschäftigt. Beschaffungsvorstand Stefan Sommer denkt bereits weiter: "Wir schauen uns auch weitere Standorte in Europa an", sagte er vor Journalisten am Rande der Hauptversammlung. Auch Emden komme grundsätzlich für eine Batteriezellenfertigung in Frage. Volkswagen benötige für seine ehrgeizigen Pläne zum Ausbau der Elektromobilität allein in Europa eine Gesamtkapazität für Batteriezellen von 150 Gigawatt-Stunden Speicherkapazität. Davon sei die in Salzgitter anfangs geplante Kapazität von mehr als zehn Gigawatt-Stunden nur ein Bruchteil.

Auch bei der Suche nach einem Standort für ein neues Mehrmarken-Werk in Europa will VW möglichst rasch Nägel mit Köpfen machen. Der Aufsichtsrat beschloss, konkrete Verhandlungen über einen potenziellen Standort aufzunehmen, für den Insidern zufolge Bulgarien und die Türkei in Frage kommen. Gegen ein neues Werk hatte sich der Betriebsrat gesperrt, solange Audi in Ingolstadt und VW in Wolfsburg nicht ausgelastet sind. Deshalb wird die Zusage für eine Batteriezellfertigung in Niedersachen von Experten auch als Zugeständnis an die Arbeitnehmervertretung und die IG Metall gewertet. Auch Niedersachsen hatte sich als zweitgrößter VW-Eigner für eine Batteriezellfertigung in dem Bundesland eingesetzt. Land und Arbeitnehmer hoffen, dass dadurch der Stellenabbau bei Verbrennern abgefedert werden kann.