Von William Boston

BERLIN (Dow Jones)--IG-Metall-Chef Jörg Hofmann fordert die Volkswagen AG auf, ihre Präsenz in Westchina zu überdenken, wo führende Vertreter westlicher Länder und Menschenrechtsorganisationen kritisieren, Peking verfolge die muslimische Minderheit der Uiguren.

Der Aufruf ist der jüngste Vorstoß in einer sich ausweitenden Kampagne, den zweitgrößten Automobilhersteller der Welt dazu zu zwingen, ein Werk in der Provinz Xinjiang zu schließen, die in den Mittelpunkt der Kritik an der starken Abhängigkeit des Unternehmens von China als Markt und Produktionsstandort gerückt ist.

"Es gibt kaum Zweifel, dass in Xinjiang Menschenrechtsverletzungen stattfinden", sagte Hofmann, der auch VW-Aufsichtsratsmitglied ist, in einem am Freitag veröffentlichten Interview mit der Braunschweiger Zeitung.

Hofmann sagte, es gebe keine Hinweise darauf, dass Angehörige der Uiguren, die bei VW in der Region arbeiten, misshandelt worden seien. "Dennoch muss man sich die Frage stellen, was es für den Ruf des Unternehmens bedeutet, dort weiter zu investieren", fügte er hinzu.

Eine Sprecherin der IG Metall bestätigte die Richtigkeit der Äußerungen Hofmanns in der Zeitung.

VW betreibt seit 2013 als Juniorpartner in einem Joint Venture mit der chinesischen SAIC Motor Co. ein Montagewerk in der Nähe der Stadt Urumqi in Xinjiang. Die Entscheidung, sich in der Region niederzulassen, erfolgte auf Anreize der chinesischen Regierung, die mehr Arbeitsplätze im verarbeitenden Gewerbe in die unterentwickelte Region bringen will.

Die Kritik an der Präsenz von VW in China, wo das Unternehmen etwa 40 Prozent seiner Umsätze erzielt, hat jedoch zugenommen, seit die Regierung von Präsident Xi Jinping die chinesische Gesellschaft stärker kontrolliert und eine aggressivere Außenpolitik betreibt.

Der Druck auf VW kommt auch zu einer Zeit, da das Unternehmen angesichts von Unterbrechungen in der Lieferkette, einem Mangel an Halbleitern und dem Krieg in der Ukraine um die Aufrechterhaltung von Produktion und Absatz kämpft.

Im Zeitraum Januar bis Mai sank der weltweite VW-Absatz im Vergleich zum Vorjahr um 26 Prozent auf 3,07 Millionen Fahrzeuge, teilte das Unternehmen am Freitag mit. In China betrug der Rückgang 29 Prozent auf 1,13 Millionen Fahrzeuge.

Die deutsche Regierung hat Anfang des Monats den Antrag von VW auf eine Erneuerung der Investitionsversicherung für sein China-Geschäft aufgrund von Bedenken wegen der Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang abgelehnt. Dieser Schritt wurde von den Grünen vorangetrieben, Juniorpartner in der neuen Dreier-Koalitionsregierung in Berlin und langjähriger China-Kritiker.

"Das Unternehmen hat bereits in der Vergangenheit öffentlich deutlich gemacht, dass Volkswagen sich entschieden gegen Zwangsarbeit im Zusammenhang mit seinen weltweiten Geschäftsaktivitäten ausspricht", sagte ein Unternehmenssprecher in einer Stellungnahme per E-Mail. VW stehe "für individuelle Freiheit, faire Arbeitsbedingungen, offenen Welthandel, wirtschaftliche Entwicklung und friedliches Zusammenleben".

In Niedersachsen, das eine Sperrminorität der Stimmrechte hält, üben die Grünen Druck auf die sozialdemokratisch-christdemokratische Regierungskoalition aus, um Volkswagen vor der Landtagswahl im Oktober zu mehr Transparenz in Bezug auf die Situation in Xinjiang zu zwingen.

VW-Chef Herbert Diess wird dafür kritisiert, dass er das Thema als "Business as usual" angeht und die Bedenken über Misshandlungen der Uiguren bisweilen abtut. 2019 sagte Diess der BBC, er habe "keine Kenntnis" von den Internierungslagern, die China nach Ansicht westlicher Regierungen und Menschenrechtsgruppen in der Region für Uiguren eingerichtet hat. Vor kurzem sagte er, das Werk in Xinjiang sei "wirtschaftlich unbedeutend".

Peking hat die Kritik mit der Begründung zurückgewiesen, sie sei eine Einmischung in Chinas innere Angelegenheiten.

Kontakt zum Autor: unternehmen.de@dowjones.com

DJG/DJN/uxd/sha

(END) Dow Jones Newswires

June 17, 2022 10:13 ET (14:13 GMT)