Von William Boston

BERLIN (Dow Jones)--Die Verkäufe von Elektrofahrzeugen haben im vergangenen Jahr einen globalen Meilenstein erreicht. Zum ersten Mal markierten sie einen Marktanteil von rund 10 Prozent, was vor allem einem starken Wachstum in China und Europa zu verdanken ist, wie Daten und Schätzungen zeigen. Während Elektroautos in den USA immer noch einen Bruchteil der Autoverkäufe ausmachen, wird ihr Anteil am Gesamtmarkt in Europa und China immer größer. Und sie beeinflussen zunehmend die Geschicke des dortigen Automarktes, da die Technologie zum Mainstream avanciert. Der sprunghafte Anstieg der Elektroauto-Verkäufe steht im Gegensatz zum allgemeinen Automarkt, der unter wirtschaftlichen Sorgen, Inflation und Produktionsstörungen leidet.

Weltweit wurden rund 7,8 Millionen Elektrofahrzeuge verkauft, was einem Anstieg von 68 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Dies geht aus einer vorläufigen Studie von LMC Automotive und EV-Volumes.com hervor. Beides sind Forschungsgruppen, die den Automobilabsatz verfolgen. Ralf Brandstätter, Chef des China-Geschäfts von Volkswagen, geht von einem weiteren Wachstum des E-Autoabsatzes aus. China werde wohl bald einen Punkt erreichen, an dem die Verkäufe konventioneller Fahrzeuge dauerhaft zurückgehen, da Plug-in-Fahrzeuge einen größeren Marktanteil einnehmen. "Vergangenes Jahr war jedes vierte Fahrzeug, das wir in China verkauft haben, ein Plug-in, und dieses Jahr wird es jedes dritte Auto sein", berichtet Brandstätter. Der Wendepunkt sei noch nicht erreicht worden, zwischen 2025 und 2030 dürfte es aber dann soweit sein.


   Traditionelle Autobauer holen bei E-Mobilität zu Tesla auf 

Nach Angaben von LMC Automotive machten vollelektrische Fahrzeuge im Gesamtjahr 11 Prozent der gesamten Autoverkäufe in Europa und 19 Prozent in China aus. Zusammen mit den Plug-in-Hybridfahrzeugen kletterte der Anteil der in Europa verkauften Elektrofahrzeuge laut EV-Volumes.com im vergangenen Jahr auf 20,3 Prozent des Gesamtabsatzes. Die USA hinken bei der Einführung von Elektrofahrzeugen hinter China und Europa zwar her. Aber im vergangenen Jahr verkauften die Autohersteller in den USA 807.180 vollelektrische Fahrzeuge, was einen Anstieg des Anteils der reinen Elektrofahrzeuge von 3,2 Prozent im Vorjahr auf 5,8 Prozent aller verkauften Fahrzeuge bedeutet. Tesla ist zwar immer noch der weltweit dominierende Hersteller von Elektrofahrzeugen, aber die konventionellen Autohersteller verkürzen den Vorsprung durch Einführung neuer Elektromodelle.

In Deutschland, dem größten Automarkt in Europa, machten Elektrofahrzeuge laut VDA im vergangenen Jahr 25 Prozent der Neuwagenproduktion aus. Im Dezember wurden hierzulande mehr Elektroautos als konventionelle Fahrzeuge verkauft. Die Neuwagenverkäufe insgesamt sanken den LMC-Daten zufolge um etwa 1 Prozent auf 80,6 Millionen Stück. Dabei trug ein Wachstum von fast 4 Prozent in China dazu bei, einen Rückgang von 8 Prozent in den USA und 7 Prozent in Europa auszugleichen. Insgesamt leiden die Autobauer unter der schwächelnden Weltwirtschaft, steigenden Energiekosten, Unterbrechungen der Lieferketten und dem Krieg in der Ukraine.

In China, auf das im vergangenen Jahr rund zwei Drittel der weltweiten Verkäufe von reinen Elektroautos entfielen, gewinnen die heimischen Hersteller gegenüber westlichen Konzernen an Boden und beginnen auch in Europa und den USA zu expandieren.


   Es droht eine Rabattschlacht unter Autobauern 

Laut einer von Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management, veröffentlichten Studie behauptet Tesla den ersten Platz in einer globalen Rangliste der Hersteller nach Verkaufszahlen von reinen Elektrofahrzeugen. Danach folgen die chinesischen Hersteller BYD und Saic Motor sowie die Marken des VW-Konzerns.

Auch wenn es Anzeichen dafür gibt, dass sich E-Fahrzeuge weltweit durchsetzten, warnen Analysten, dass es schwierig werden könnte, die starke Leistung des Vorjahres 2023 zu wiederholen. Der Grund: Wirtschaftliche Sorgen belasten die Verbraucher und es laufen Rabatte für E-Fahrzeuge in einigen Ländern aus oder werden reduziert. Steigende Strompreise in Europa infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine haben die Attraktivität von E-Fahrzeugen im Vergleich zu spritbetriebenen Fahrzeugen ebenfalls verringert. In den vergangenen Jahren hatten die Autohersteller, insbesondere in Europa, Schwierigkeiten, Schlüsselkomponenten wie Computerchips zu finden, um bei der Produktion mit der Nachfrage Schritt zu halten. Diese Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage ist ein Grund dafür, dass die Autohersteller im vergangenen Jahr trotz allgemein schwächerer Verkaufszahlen hohe Gewinne erzielten.

Wenn sich die Wirtschaft abschwächt, die Probleme in der Lieferkette nachlassen und die Subventionen auslaufen, könnte es für die Hersteller schwieriger werden, die hohen Preise für Neuwagen aufrechtzuerhalten, da sie um potenziell weniger Kunden buhlen. Dies könnte eine Preisspirale nach unten auslösen, die sich womöglich auch auf die Gewinne auswirkt. "Die Nachfrage wird sich im kommenden Jahr wahrscheinlich abschwächen", warnt Autoanalyst Peter Fuss von Ernst & Young. Die schwache Konjunktur werde dazu führen, dass Privat- und Geschäftskunden zurückhaltender würden. Und es sei möglich, dass das Angebot die Nachfrage übersteige und es wieder zu Preisnachlässen komme.

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January 17, 2023 05:22 ET (10:22 GMT)