BERLIN/WASHINGTON (dpa-AFX) - Die von den USA verhängten Strafzölle auf Stahl und Aluminium bringen die EU in Zugzwang und lassen die Sorge vor einem ausgewachsenen Handelskrieg mit weiteren Produkten wachsen. Es gibt Befürchtungen, dass die Regierung von Präsident Donald Trump nach einem Vergeltungsschritt aus Brüssel zusätzliche Branchen wie die exportstarke deutsche Autoindustrie mit höheren Abgaben belegen könnte. Beobachter mahnen aber auch zur Besonnenheit: Solange es vor allem um Stahl gehe, sei Europa vergleichsweise wenig betroffen. "Reaktionen der EU, die zu einer Eskalation der Situation und weiteren Handelsbarrieren führen, würden einen noch viel größeren Schaden anrichten", sagte der Hauptgeschäftsführer des Wirtschaftsverbands Stahl- und Metallverarbeitung, Christian Vietmeyer.

Die US-Sonderzölle auf Einfuhren von Stahl (25 Prozent) und Aluminium (10 Prozent) aus der EU traten am Freitagmorgen in Kraft. Auch Mexiko und Kanada - größter Stahllieferant der USA - fallen darunter. Alle drei Handelspartner Washingtons halten dies für ungerechtfertigt. Die Bundesregierung beurteilt die neuen Zölle nach Angaben von Sprecher Steffen Seibert sogar als rechtswidrig. Wirtschaftsminister Peter Altmaier, der in den vergangenen Wochen mit seinem US-Kollegen Wilbur Ross im Austausch stand, kündigte eine entschlossene EU-Reaktion an.

Der Handelskonflikt überschattet auch das Treffen der Finanzminister der G7-Staaten, das am Donnerstagabend (Ortszeit) im kanadischen Whistler begann. Dort gab es bereits eine "offene und ehrliche" Aussprache von Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) und US-Finanzminister Steven Mnuchin. Scholz habe klar gemacht, dass es um die Souveränität Europas und um eine Frage gegenseitigen Respekts gehe, hieß es nach der 40-minütigen Unterredung aus Regierungskreisen. Beide hätten die Sorge vor einer weiteren Eskalation geteilt. "Die Europäische Union wird jetzt stark reagieren und auch klug", sagte Scholz. "Das ist kein guter Tag für die transatlantischen Beziehungen."

Laut einer bei der Welthandelsorganisation (WTO) eingereichten Liste sollen die EU-Vergeltungszölle auf US-Produkte wie Whiskey, Jeans, Erdnussbutter, Motorräder oder Tabakprodukte erhoben werden. Auch US-Stahlerzeugnisse wie Schiffe wären betroffen. Der zusätzliche Zollsatz würde 25 Prozent betragen. Die EU-Kommission will Klage bei der WTO einreichen. Sie vertritt die gemeinsame Außenhandelspolitik der Mitgliedstaaten in der Genfer Organisation. "Die USA lassen uns keine andere Wahl", sagte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.

Regierungssprecher Seibert betonte, Europa müsse nun geschlossen auftreten. Die EU habe die notwendigen Vorbereitungen getroffen, mit Gegenmaßnahmen auf die US-Strafzölle zu reagieren. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) werde sich weiter für offene Märkte einsetzen.

Kanadas Premier Justin Trudeau nannte die Maßnahmen der USA "völlig inakzeptabel". Mexiko und Kanada kündigten ebenso Vergeltungszölle an. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sagte laut der Nachrichtenagentur AFP, Trumps Entscheidung sei illegal und ein Fehler: "Der wirtschaftliche Nationalismus führt zum Krieg. Das ist genau das, was in den (19)30er Jahren passiert ist." China, das mit den USA in Handelsfragen auch über Kreuz liegt, reagierte verstört. "Viele Länder sind besorgt über Unilateralismus und Protektionismus der US-Seite", sagte eine Sprecherin des Außenamtes in Peking.

In der deutschen Wirtschaft ist die Enttäuschung ebenfalls groß. Beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hieß es, Trump riskiere, die transatlantische Partnerschaft um Jahrzehnte zurückzuwerfen. "Sein kompromissloses Vorgehen ist kurzsichtig und selbstzerstörerisch", sagte BDI-Präsident Dieter Kempf.

Der weltgrößte Autobauer Volkswagen warnte vor einer gefährlichen Spirale gegenseitiger Vergeltungsschritte zwischen Amerika und Europa. An deren Ende werde es keinen Gewinner geben, erklärte der Konzern. Im Gegenteil würden beide Seiten Schaden nehmen. Die hohen Abgaben auf Stahl und Aluminium nehme man mit "Bedauern und Sorge" zur Kenntnis. Der Chef des Stahlherstellers Salzgitter, Heinz Jörg Fuhrmann, zeigte sich nicht alarmiert - wies jedoch auf indirekte Folgen hin, falls Stahl etwa aus der Türkei oder Russland statt in die USA nun auf den Markt in Europa gelenkt werde.

Beobachter fürchten, Trump könne nach einem Zurückschlagen der EU auch Autoimporte mit höheren Zöllen belegen. Dies würde deutsche Hersteller, für die die USA ein wichtiger Markt sind und die dort selbst Fabriken mit Auslandzulieferungen betreiben, schwer treffen.

Der Handelsexperte des Münchner Ifo-Instituts, Gabriel Felbermayr, meinte: "Europa muss sich auf einen neuen Kalten Krieg im Handel mit den USA einstellen." Selbst wenn der volkswirtschaftliche Schaden zunächst begrenzt bleibe, müsse man "befürchten, dass wir erst am Anfang einer Reihe weiterer US-Maßnahmen stehen"./jap/DP/jha