Von Stephen Wilmot

NEW YORK (Dow Jones)--Volkswagen muss mehr als robuste Gewinne mit konventionellen Autos vorweisen, um seinem aktuellen Aktienkurs gerecht zu werden. Zuletzt meldeten die Wolfsburger fürs erste Quartal einen operativen Gewinn von 4,8 Milliarden Euro, was über den Factset-Konsenserwartungen von etwa 4,3 Milliarden Euro rangiert. Außerdem hob das Management die Prognose für die operative Marge im Gesamtjahr auf 5,5 Prozent bis 7 Prozent an. Die Anhebung der Margenprognose ist eine Bestätigung dafür, dass VW nicht übermäßig von der Chip-Knappheit betroffen ist, war aber keine große Überraschung. Die Analysten hatten laut Factset im Durchschnitt bereits mit einer operativen Marge von 6,9 Prozent gerechnet.

VW-Anleger konzentrieren sich auf andere Dinge, vor allem auf die Elektrifizierungsstrategie des Unternehmens. VW hat seine ID.3-Limousine und den ID.4-Crossover als führende Konkurrenten zu Teslas Model 3 und Model Y angepriesen. Inmitten des großen Interesses um Elektrofahrzeuge im Allgemeinen geben die Kapitalmärkte dem Unternehmen Vorschusslorbeeren, insbesondere in den USA. Die VW-Stammaktien sind in diesem Jahr um 54 Prozent emporgeschnellt, angeführt vom Handel mit ihren US-amerikanischen Hinterlegungsscheinen.


 Noch kommt E-Auto bei VW über Hoffnungsträger-Rolle nicht hinaus 

Selbst nach der jüngsten Korrektur werden die Stammaktien mit dem etwa Neunfachen des voraussichtlichen Gewinns gehandelt. Das ist zwar im Vergleich zu Tesla sehr günstig, aber mehr als bei den einheimischen Konkurrenten Daimler und BMW, die normalerweise traditionell einen Aufschlag erzielen. Die Vorzugsaktien von VW, ein wirtschaftlich identisches Wertpapier, das in Europa häufiger gehandelt wird, aber in den USA weniger Liquidität bietet, sind etwas billiger, liegen aber deutlich über den historischen Bewertungsniveaus.

Viel hängt von der Markteinführung der neuen Elektroautos von VW ab. Sie haben größtenteils positive Kritiken eingeheimst und VW hat im ersten Quartal fast 60.000 vollelektrische Fahrzeuge verkauft, da der Konzern die Produktion hochfuhr. Das waren aber nur 2,5 Prozent des Gesamtabsatzes des Unternehmens. Es ist noch viel zu früh, um zu wissen, ob die Produkte dem VW Käfer und VW Golf folgen und wie erhofft eine neue Ära einläuten. Tesla verkaufte im Quartal fast 183.000 seiner Modelle 3 und Y. Die Hauptschwäche des ID.3 und ID.4 scheint die Software zu sein. Das Problem packt das Unternehmen mit hohen Investitionen in eine neue Softwarefirma an, die es 2025 oder 2026 von externen Lieferanten übernehmen will. Die Forschungs- und Entwicklungskosten beliefen sich im Quartal auf gewaltige 4 Milliarden Euro - rund 7,7 Prozent des Umsatzes.


 VW-typische Querelen hemmen Software-Entwicklung 

Vorstandschef Herbert Diess sagt oft, dass es für Volkswagen schwieriger sein wird, die Software richtig hinzubekommen, als erfolgreiche Elektroautos zu bauen. Der Konzern muss seine internen Grabenkämpfe wegen der ungewöhnlichen Führungsstrukturen stärker öffentlich machen als die meisten anderen Unternehmen. Das Programmieren erfordert aber eine andere Art von Mitarbeiter- und Managementkultur als die Fahrzeugherstellung. Das ist ein Problem für VW, da die Fahrzeugsoftware - und die wiederkehrenden Serviceeinnahmen, die damit erzielt werden könnten - das Einzige ist, was die höheren Bewertungen rechtfertigen könnte, die Investoren den Autoherstellern jetzt zugestehen, da das Elektrozeitalter anbricht.

VW ist der archetypische Autohersteller der alten Schule, der Hoffnungen weckt, während er groß auf die E-Auto-Technologie setzt. Während der solide Gewinn, den das Unternehmen immer noch mit konventionell angetriebenen Fahrzeugen macht, eine Voraussetzung für die Finanzierung dieser Spekulation ist, sagt er wenig über die Chancen aus, dass sie sich auszahlt.

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May 06, 2021 11:17 ET (15:17 GMT)