ELLWANGEN (dpa-AFX) - Drahtlose Kopfhörer, Akkus für Bohrmaschinen und Mähroboter, Strom für Insulinpumpen und für Messgeräte in der Industrie - all das wäre ohne Technik wie die von Varta kaum möglich. Und auch Batterien für Elektroautos sollen bald aus den Werkshallen rollen. Was bei Varta los ist, was Analysten sagen und wie die Aktie sich entwickelt hat.

DAS IST LOS BEI VARTA:

Die Lithium-Ionen-Akkus der Baden-Württemberger sind ein Dauerbrenner. In der jüngeren Vergangenheit profitierten sie vom Boom im Geschäft mit kabellosen Kopfhörern. So treiben Tech-Riesen wie Apple und Samsung ihre Geräte mit Varta-Knopfzellen an. Daneben produziert Varta die kleinen Energiespeicher sowie normale Batterien für allerlei andere Anwendungen rund um Haushaltselektronik sowie für Produkte, die Handwerkern, Gärtnern, aber auch Medizinern und Patienten das Leben leichter machen.

Und das ist noch nicht alles. Das Unternehmen arbeitet an sogenannten Smart Labels, bei der die Batterie direkt auf Papier gedruckt wird. Auch gedruckte Lithium-Ionen-Zellen sind in Arbeit etwa für intelligente Hautpflaster am Handgelenk zur Überwachung von Körperfunktionen.

Größter Hoffnungsträger ist derzeit aber wohl das Geschäft mit der Elektromobilität. Im März kündigte der MDax-Konzern den Einstieg in die Produktion von Batterien für Elektroautos an. Neuartige Zellen sollen zum Ende des Jahres am Stammsitz in Ellwangen auf einer Pilotlinie produziert werden. Die neue Batterie könnte vor allem bei Fahrzeugen im Premiumsegment zum Einsatz kommen, hieß es. Einen ersten Kunden aus der Autoindustrie hat das Unternehmen bereits an Land gezogen, ein Name wurde jedoch nicht genannt. Sollte alles laufen wie geplant, könnte das Geschäft mit der Autoindustrie dem Konzern den nächsten großen Wachstumsschub liefern.

Im Tagesgeschäft lief es zuletzt ein wenig träger, als es die Aktionäre eigentlich gewohnt sind. So startete das Unternehmen eher gemächlich ins Jahr 2021. Zudem verbreitete ein Bericht der japanischen Wirtschaftszeitung "Nikkei" zuletzt kurzzeitig Sorgen unter den Anlegern. Sie schrieb unter Berufung auf informierte Kreise, Apple wolle die Produktion für seine Airpods in diesem Jahr um bis zu 30 Prozent zurückfahren. Ein Händler hielt dem allerdings entgegen, dass Apple sich auf die neue Kopfhörer-Generation in diesem Jahr vorbereite und es für Varta vor allem auf das zweite Halbjahr ankomme.

Varta selbst gab sich unlängst bei der Vorlage der Zahlen für das erste Quartal zuversichtlich. "Wir blicken optimistisch auf die zweite Jahreshälfte", sagte Vorstandschef Herbert Schein da. Dann soll das Tempo wieder anziehen, weil es im Kerngeschäft mit Lithium-Ionen-Knopfzellen für kabellose Kopfhörer mehr Schwung dank neuer Aufträge geben soll. Um die erwartete Nachfrage in allen Bereichen bedienen zu können, steckt das Management weiter viel Geld in den Ausbau der Produktion.

Trotz der hohen Investitionen im vergangenen und laufenden Jahr beteiligt Varta seine Aktionäre in diesem Jahr erstmals seit dem Börsengang 2017 mit einer Dividende von 2,48 Euro je Aktie. Profitieren wird davon auch Großaktionär und Aufsichtsratschef Michael Tojner, der über seine Beteiligungsgesellschaft Montana Tech rund 56 Prozent der Anteile hält.

DAS SAGEN ANALYSTEN:

Das Urteil der Analysten fällt aktuell geteilt aus, wobei keiner der von der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX erfassten Experten mehr allzu viel Luft nach oben sieht für die Aktie. Das durchschnittliche Kursziel der sieben Analysten liegt mit gut 113 Euro sogar ein gutes Stück unter dem aktuellen Kursniveau von gut 127 Euro. Dabei raten je zwei zum Kaufen und Halten der Papiere, drei sagen "Verkaufen".

Am vorsichtigsten ist Robert-Jan van der Horst vom Analysehaus Warburg Research, der die Papiere bei einem Kursziel von 83 Euro mit "Verkaufen" bewertet. Varta habe im ersten Quartal zwar seine Gewinnerwartungen übertroffen und dürfte im Gesamtjahr wohl ein wenig besser abschneiden, als vom Unternehmen selbst in Aussicht gestellt. Allerdings sei der freie Mittelabfluss (Free Cashflow) mit 52,4 Millionen Euro im ersten Quartal auch angesichts hoher Investitionen auffallend gewesen.

Van der Horst rechnet für die Zukunft mit zusätzlichen Investitionen für den geplanten Aufbau der Produktion von großformatigen Zellen für Automobilanwendungen. Allerdings brauche das zusätzliche Finanzmittel und dürfte zu einem Anstieg der Nettoverschuldung führen.

Christian Sandherr von der Privatbank Hauck & Aufhäuser hält einen Erfolg der avisierten neue Zelle für die Elektromobilität für wahrscheinlich und berücksichtigt für die kommenden Jahre mittlerweile erste, noch kleinere Umsatzbeiträge in seinem Bewertungsmodell. Er hob unter anderem die überlegene Energiedichte der Technik hervor, die Varta mit seiner Expertise bei kleineren Formaten in die geplanten größeren Zellen einbringe. Vor diesem Hintergrund strich der Analyst jüngst seine Verkaufsempfehlung und votiert nun mit "Halten".

Michael Punzet von der DZ Bank sprach nach der Veröffentlichung der Zahlen für das erste Quartal Mitte Mai sogar eine Kaufempfehlung aus und setzt einen fairen Wert je Aktie von 130 Euro an. Der Konzern sollte auch weiterhin von einer steigenden Nachfrage nach hochwertigen Batterielösungen, insbesondere aus dem Unterhaltungsbereich, profitieren, erklärte er. Zudem sollte die Nachrichtenlage mit Blick auf die geplanten Batterien für die E-Mobilität tendenziell positiv bleiben.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Die Varta-Investoren haben aufregende Monate hinter sich. Ende Januar trieben Spekulationen vieler Kleinanleger, die das Papier über Internetforen gepusht haben und dabei einige Leerverkäufer auf dem falschen Fuß erwischten, noch von gut 110 Euro bis auf einen Rekord von 181,30 Euro. Von hier aus ging es in den Wochen danach aber ebenso rasant wieder nach unten.

Neben der geplatzten Spekulationsblase vergrätzte Mitte Februar ein schwacher Ausblick die lange Zeit verwöhnten Varta-Anleger. Der Kurs fiel im Februar und März fast bis auf 100 Euro zurück. Seitdem konnte sich das Papier etwas erholen und kostete zuletzt rund 127 Euro. Damit konnte die Aktie aber unter dem Strich seit Ende 2019 kaum zulegen.

Mit einem Anstieg um knapp fünf Prozent in diesem Zeitraum bleiben die Varta-Anteile deutlich hinter der Entwicklung des MDax zurück. Immerhin konnten sie sich aber deutlich vom Corona-Crash-Tief von knapp über 50 Euro erholen, das sie im März 2020 markiert hatten.

Trotz der zuletzt verhaltenen Entwicklung ist Varta bisher eine Erfolgsgeschichte an der Börse. Gemessen am Ausgabepreis des Papiers beim Börsengang im Oktober 2017 von 17,50 Euro kommen Anleger der ersten Stunde auf eine Rendite von mehr als 600 Prozent.

Das Unternehmen erreicht derzeit eine Marktkapitalisierung von etwas mehr als fünf Milliarden Euro. Damit liegt Varta im Mittelfeld des MDax./mis/zb/gl/nas