NEW YORK (dpa-AFX) - Während Amazon nach und nach den Alltag seiner Kunden durchdringt, wird der Online-Riese selbst mit einem eigenen Logistiknetzwerk zunehmend unabhängiger. Damit macht er Platzhirschen wie der Deutschen Post DHL, UPS und Fedex Konkurrenz. Die mit dem Vorhaben verbundenen Kosten verpassten der Aktie gerade einen Dämpfer. Doch dank eines anderen Wachstumsbringers bleiben die Aussichten mehr als positiv. Was das Unternehmen macht, was die Analysten sagen und wie es um die Aktie steht.

DAS IST LOS BEI AMAZON:

Amazon kann schon lange mehr als Bücher. Der Online-Riese konkurriert mit Netflix um Streaming-Kunden, produziert Serien und entwickelt Elektronikgeräte wie den E-Book-Reader Kindle oder den Sprachassistenten Alexa. Sogar den Einkauf nimmt das Unternehmen mit Sitz in Seattle seinen Kunden mit Amazon Fresh ab. Doch der Bereich scheint zumindest in Deutschland nicht so erfolgreich zu laufen. Die Deutsche Post DHL hatte die Zusammenarbeit mit dem Konzern, den der reichste Mann der Welt lenkt, kürzlich eingestellt. Als Begründung hieß es von einer Sprecherin: Der Markt für online bestellte, frische Lebensmittel bleibe "bis dato weit hinter den Erwartungen zurück."

Das klingt zunächst nicht unbedingt nach Erfolg. Bisher gibt es das Angebot von Amazon Fresh in Deutschland in vier Städten: München, Hamburg, Berlin, Potsdam. Die Folge: Amazon liefert seine Lebensmittel jetzt über sein eigenes Logistiknetzwerk aus.

Und das scheint zu wachsen und könnte, Branchenkennern zufolge, für die großen Paketdienstleister UPS, Fedex und DHL zu einer ernsthaften Konkurrenz werden. Die Lage in den USA ist bereits eindeutig, glaubt man dem Marktforschungsunternehmen Rakuten Intelligence. Da heißt es, Amazon liefere dort fast die Hälfte seiner Pakete selbst aus. Amazon selbst hatte die Zahlen allerdings als "nicht akkurat" zurückgewiesen. Die Zeitung "Die Welt" berichtete bereits 2016, dass Amazon laut Schätzungen langfristig in Deutschland bis zu 60 Prozent der Pakete in Eigenregie ausliefern könnte.

In den USA hatte Amazon im vergangenen Jahr 20 000 Sprinter bei Daimler bestellt, um die letzte Strecke bis zum Kunden selbst zurückzulegen. Laut internen Vorstandspapieren der Deutschen Post, über die Medien Ende 2018 berichteten, werde der Internetriese in Deutschland bis 2022 mit rund 154 Millionen Paketen ein knappes Drittel seiner Sendungen selbst verteilen. DHL blieben dann nur noch 360 Millionen Amazon-Pakete übrig.

Für Wachstum sorgt im Jeff-Bezos-Imperium derzeit aber nochmal eine ganz andere Sparte: Das Geschäft mit Cloud-Diensten. Das macht Finanzanalysten derzeit besonders Freude. Im ersten Quartal wuchs dieser Bereich um 42 Prozent, im zweiten Quartal immer noch um 37 Prozent.

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

In ihrem Urteil über die Amazon-Aktie sind sich alle bei dpa-AFX gelisteten Analysten einig: Die Empfehlung lautet durchgehend "kaufen". Die US-Investmentbank Goldmann Sachs traut dem Online-Riesen mit einem Kursziel von 2400 US-Dollar besonders viel zu. Das wäre ein Plus von fast 36 Prozent auf den derzeitigen Kurs.

Ebenfalls recht optimistisch ist das Analysehaus Independent Research. In einer Studie von Ende Juli schrieb Analyst Lars Lusebrink, dass die Zahlen für das zweite Quartal zwar ein gemischtes Bild gezeigt haben. Wegen der positiven Entwicklung des Cloud-Geschäfts sowie der hohen Nachfrage nach Amazon Prime bestätigte er aber seine positive Einschätzung, wenngleich er das Kursziel um 100 Dollar auf 2300 Dollar senkte. Der Cloud-Bereich dürfte seiner Meinung nach auch der Ergebnistreiber bleiben.

Die Investitionen in die Logistik seien eine Chance, neue Kunden zu gewinnen, die Umsatzdynamik zu erhöhen und die Marktstellung zu stärken, findet DZ-Bank Analyst Ingo Wermann. Der Online-Händler habe in den letzten Jahren in 5 der 20 größten Volkswirtschaften der Welt eine ganze Reihe neuer Produkte auf den Markt gebracht, schrieb Analyst Mark Mahaney vom Analysehaus RBC. Dies dürfte nun das Umsatzwachstum ankurbeln.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Amazon konnte seine Gewinne im zweiten Quartal zwar steigern, dennoch waren Anleger enttäuscht. Die Aktie erlitt einen leichten Dämpfer. Wegen eines starken Anstiegs der Ausgaben konnte das Unternehmen nicht an die glänzenden Zahlen der Vorquartale anschließen.

Die US-Amerikaner hatten bereits vorher angekündigt, dass der Ausbau der Lieferlogistik zu höheren Ausgaben führen werde. Amazon will Zustellungen innerhalb von 24 Stunden für Kunden seines "Prime"-Services zum Standard machen - zunächst in Nordamerika und dann weltweit. Für diesen logistischen Kraftakt sind allerdings erst einmal hohe Investitionen erforderlich.

Auf Drei-Monatssicht musste das Papier zwar leichte Verluste hinnehmen. Langfristig gesehen steht unter dem Strich allerdings ein dickes Plus für die Anleger. Wer etwa seit drei Jahren Amazon-Aktien hält, konnte seine Investition deutlich mehr als verdoppeln.

Innerhalb der vergangenen fünf Jahre stiegt der Kurs des Papiers sogar um mehr als 400 Prozent. Nach ihrem Rekordhoch im September bei 2050,50 Dollar sank die Aktie allerdings bis Weihnachten zunächst auf 1307 Dollar. Seit Anfang des Jahres geht es wieder bergauf.

Zuletzt kostete die Aktie wieder knapp 1800 Dollar - das Unternehmen kommt damit auf einen Börsenwert von rund 870 Milliarden Dollar und liegt damit in der Liste der wertvollsten börsennotierten Konzerne nach Microsoft (1,03 Billionen) und Apple (929 Mrd) derzeit auf Rang drei.

Der starke Kursanstieg seit dem Börsengang im Jahr 1997 von zirka 117 500 Prozent hat Unternehmensgründer und Konzernchefs Jeff Bezos zum reichsten Mann der Welt gemacht und das obwohl er nach seiner Scheidung ein großes Aktienpaket abgeben musste.

Das Vermögen Bezos beläuft sich nach Berechnungen der Nachrichtenagentur Bloomberg derzeit auf 110 Milliarden Dollar und damit vier Milliarden Dollar mehr als das von Microsoft-Gründer Bill Gates./knd/kro/zb/mis