--Bund zeichnet Kapitalerhöhung

--Weitere Mittel zum Ausgleich von Verlusten möglich

--Weitergabe von 90% der Ersatzbeschaffungskosten ab 1. Oktober

--Kfw-Kreditrahmen auf 9 Milliarden Euro aufgestockt

(NEU: Weitere Details mit Aussagen Uniper-CEO und Scholz)

Von Matthias Goldschmidt

FRANKFURT (Dow Jones)--Die Stabilisierung des angeschlagenen Energieversorgers Uniper ist in trockenen Tüchern. Wie der Konzern mitteilte, haben sich Uniper und die finnische Muttergesellschaft Fortum mit der Bundesregierung auf ein Rettungspaket geeinigt. Es sieht vor, dass der Bund im Zuge einer Kapitalerhöhung 30 Prozent an der Uniper SE übernimmt. Außerdem wird das gewährte KfW-Darlehen aufgestockt.

Es geht um die Begrenzung der Verluste durch die Lieferkürzungen bei russischem Gas, die Sicherung der Liquidität und die Sicherung der Bonitätseinstufung durch die Ratingagentur Standard & Poor's.

Die im MDAX notierte Uniper-Aktie sackt am Nachmittag nach anfänglichen Gewinnen um über 30 Prozent ab auf ein Allzeit-Tief von 7,16 Euro.

Mit dem Deal sei "sichergestellt, dass Uniper seine Kunden, darunter zahlreiche Stadtwerke und Industrieunternehmen, weiter zuverlässig mit Energie versorgen kann", sagte Vorstandschef Klaus-Dieter Maubach laut Mitteilung.

Uniper kann künftig - wie andere Gasversorger auch - 90 Prozent der Kosten, die für die Beschaffung des Gases aus Ersatzquellen anfallen, an die Kunden weitergeben. Sollte das nicht ausreichen, und die Verluste aus Ersatzbeschaffungen, die nicht durch andere operative Bereiche ausgeglichen werden können, über 7 Milliarden Euro liegen, steht die Bundesregierung für weitere Hilfen bereit.


   KfW-Kreditlinie als Brücke 

Die Liquidität soll auch dadurch gesichert werden, dass die bestehende Kreditlinie der KfW von 2 Milliarden Euro auf 9 Milliarden Euro erhöht wird. Der Verwendungszweck wird außerdem ausgeweitet. Die Finanzierung solle eine "Brücke bauen, bis die Eigenkapitalinstrumente (..) greifen und uns diese Mittel dann in Form von Eigenkapital zufließen", sagte Maubach in einer Telefonkonferenz.

Von zentraler Bedeutung für das Unternehmen ist die Sicherung des Investment-Grade-Ratings durch die Agentur Standard & Poor's (S&P). Derzeit ist die Bonitätseinstufung BBB-, was gerade noch im Investment-Grade-Bereich ist.

Mit dem Bund kommt jetzt ein bonitätsstarker Miteigentümer ins Boot. Der Bund wird eine Kapitalerhöhung über rund 267 Millionen Euro zum Ausgabepreis von 1,70 Euro zeichnen. Die Regierung soll künftig auch "angemessen" im Aufsichtsrat vertreten sein.

Darüber hinaus wird ein Pflichtwandelinstrument in Höhe von bis zu 7,7 Milliarden Euro an den Bund ausgegeben. Das soll in Tranchen erfolgen, je nach Liquiditätsbedarf von Uniper. Der Umtauschpreis je Aktie bei Wandlung sieht einen Abschlag von 25 bis zu 50 Prozent auf den Börsenkurs in einem bestimmten Zeitraum vor Durchführung der Wandlung vor.

Mehrheitsaktionär Fortum hat die Option, einen Teil dieses Pflichtwandelinstruments vom Bund zu kaufen, gegen Übertragung des Rückzahlungsanspruchs aus dem Darlehen über 4 Milliarden Euro, das Fortum Uniper gewährt hat. Durch die Kaufoption hat Fortum die Möglichkeit, seinen Mehrheitsanteil zu halten, der durch die Kapitalerhöhung auf 56 Prozent von 80 Prozent verwässert wird.


   Keine Boni für den Vorstand, keine Dividende 

Der Deal war nur unter mehreren Bedingungen zu haben. So muss Uniper seine laufende Klage gegen die Niederlande im Zusammenhang mit dem Energiechartervertrag (Energy Charter Treaty, ECT) zurücknehmen. Das Management wird keine variable Vergütung mehr erhalten. Auch Dividendenzahlungen werden ausgesetzt. Zustimmen müssen auch noch die zuständigen Behörden, insbesondere muss die beihilferechtliche Genehmigung der EU-Kommission vorliegen.

Für das Plazet der EU veranschlagt CEO Maubach 1 bis 4 Monate, wie er in einer Analystenkonferenz sagte. Erst werde eine außerordentliche Hauptversammlung einberufen, um die Zustimmung der Aktionäre zu den Stabilisierungsmaßnahmen einzuholen.

"Uniper ist von überragender wirtschaftlicher Bedeutung für die Wirtschaft Deutschlands", sagte Bundeskanzler Olaf Scholz in einer eigens einberufenen Pressekonferenz. Die Möglichkeit zur Weitergabe der Ersatzbeschaffungskosten soll planmäßig am 1. Oktober starten, eventuell schon am 1. September. Die Gasversorger sollen dann 90 Prozent der Differenz zwischen ihrem vertraglich vereinbarten Einkaufspreis und dem tatsächlich gezahlten Preis an ihre Kunden - andere Energieversorger, aber auch Endkunden - weitergeben dürfen.

Uniper-Chef Maubach bezifferte die bis Ende August auflaufenden Verluste durch Ersatzbeschaffungen auf 4,5 Milliarden Euro. Im September dürften weitere 1,7 Milliarden Euro hinzukommen.


   CEO: Brauchen komplett neuen Blick auf unser Geschäftsmodell 

Jenseits der kurzfristigen Stabilisierung sieht Maubach grundlegende Veränderungen auf Uniper zukommen. "Meines Erachtens braucht es einen komplett neuen Blick auf das, was wir hier tun", sagte er. Das Risiko, dass eine einzelne Vertragsbeziehung, nämlich die mit Gazprom, die Firma bis an den Rand des Ruins bringe, können von einem Vorstand nicht verantwortet werden.

Die Unsicherheit, ob die vereinbarten Gasmengen kommen, könne sich immer wiederholen, "darauf ist kein Geschäftsmodell aufzubauen". Es sei zu überlegen, wie die Geschäftsbeziehung mit Gazprom auf neue Füße gestellt werden könne. Die Tatsache, dass Gazprom die Lieferausfälle nach Europa mit höherer Gewalt (Force Majeure) erklärt habe, "wird voraussichtlich auf eine Auseinandersetzung hinauslaufen", so Maubach. "Wir werden natürlich versuchen, zum Wohle unseres Unternehmens Gazprom haftbar zu machen für die Schäden."

Kontakt zum Autor: unternehmen.de@dowjones.com

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July 22, 2022 10:40 ET (14:40 GMT)