--Behörde verweist auf "unvorhersehbare Verzögerungen" durch US-Sanktionen

--Vogelschutz nicht beeinträchtigt

--Umweltverbände kündigen Rechtsweg an

(Neu: Reaktionen Bundesregierung, Opposition, Umweltverbände)

Von Petra Sorge

BERLIN (Dow Jones)--Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) hat dem Konsortium Nord Stream 2 AG grünes Licht für einen unmittelbaren Weiterbau der Gaspipeline in deutschen Gewässern gegeben. Ursprünglich hatte das Unternehmen dafür nur eine Genehmigung ab Mai. Das neue Zeitfenster sei nun "aufgrund unvorhersehbarer Verzögerungen" erforderlich geworden, erklärte die Behörde und verwies damit auf den Stopp der Arbeiten aufgrund der US-Sanktionsdrohungen. Weil Umweltverbände Widerspruch ankündigten, ist die Fortsetzung der Arbeiten jedoch ungewiss.

Die Genehmigung betrifft zwei Rohrleitungen in der sogenannten ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) in der Pommerschen Bucht. Die eine davon ist 16,5 Kilometer lang, die andere 13,9 Kilometer. Die Nord Stream 2 AG hatte bereits im Juli 2020 bei dem maritimen Bundesamt beantragt, eine 2018 erteilte Baugenehmigung zu ändern. Damit wollte sie einen wichtigen Ausfall kompensieren: Denn infolge der US-Sanktionsdrohungen hatte die Schweizer Firma Allseas ihre Verlegeschiffe zurückgezogen.


   Russisches Schiff Fortuna liegt schon vor Rostock 

Für diese Schiffe lag bereits eine Genehmigung für die Wintermonate vor. Russland schickte daraufhin ein neues Spezialschiff, die Fortuna. Für ein solches "ankerpositioniertes Schiff" gilt nun der neue Antrag, hieß es vom BSH. Bis Weihnachten 2020, bevor der letzte Antrag auslief, hatte die Fortuna bereits weitere 2,6 Kilometer Rohre in deutschen Gewässern verlegt. Das Schiff befand sich laut www.vesselfinder.com am Freitag in der Ostsee vor Rostock.

Um Seevögel zu schützen, begrenzte die Behörde die Verlegearbeiten in der Ostsee jedoch. Bis Ende Mai sind maximal 30 Tage pro Bauphase erlaubt, der jeweils eine Pause von mindestens 14 Tagen folgen muss. Umwelt- und Naturschutzverbände hatten einen kompletten Baustopp gefordert. Das BSH argumentiert jedoch, dass die Störwirkung "räumlich begrenzt" sei.

Die Strecke liege nicht nur am Rand eines Vogelschutzgebietes, das zudem nur Wassertiefen von rund 20 Metern aufweise. Auf 10 Kilometern verlaufe die Pipeline auch durch ein Gebiet, wo wegen intensiven Schiffsverkehrs nur relativ wenige Rastvögel anzutreffen seien. Zudem seien die Installationsschiffe sehr langsam.


   Auch Dänemark erlaubt Weiterbau 

Die Nord Stream 2 AG hatte zuvor auch von der Dänischen Maritimen Agentur (DMA) die Genehmigung erhalten, ab diesem Freitag mit den Arbeiten zu beginnen. "Das heißt aber nicht, dass wir am Freitag auch die Verlegung von Rohren wieder aufnehmen", betonte ein Sprecher im Handelsblatt. Auf Anfrage von Dow Jones Newswires verwies der Sprecher auf die DMA-Bekanntmachung, wonach zunächst noch vorbereitende Arbeiten und Tests nötig seien, bevor die eigentliche Verlegung beginne könne. So ordnet die dänische Behörde an, um die Gaspipeline auch eine 200 Meter weite Schutzzone zu errichten.

Als einen "Affront" bezeichnete die Deutsche Umwelthilfe (DUH) die jetzige Genehmigung des Bundesamtes. Bei der Entscheidung seien die "massiven Bedenken" seines Vereins "systematisch ausgeblendet und ignoriert" worden, erklärte Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner. So seien die Klimaauswirkungen des größten fossilen Infrastrukturprojekts in Europa "überhaupt nicht einbezogen" worden. Die DUH kündigte daher Klagen gegen die Pipeline an.

Auch der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) will weitere rechtliche Möglichkeiten prüfen. Denn noch im Winter 2018 habe das BSH eine Bauunterbrechnung selbst als notwendig für den Vogelschutz erachtet, erklärte Nabu-Präsident Jörg-Andreas Krüger.


   Grüne fordern umgehenden Baustopp 

Die Grünen begrüßten die Ankündigungen der Umweltverbände. "Die Landesregierung in Mecklenburg-Vorpommern und die Bundesregierung sollten sich für einen Baustopp einsetzen", forderte Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. Doch stattdessen beabsichtige Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) mit ihrer "Tarnstiftung" offenbar, "Putins Pipeline zu schützen".

Berlin hält indes weiter an dem Projekt fest: Regierungssprecher Steffen Seibert bekräftigte die Ablehnung von "extraterritorialen Sanktionen". Auf die Frage, ob ein möglicher Weiterbau der Pipeline die Verhandlungen mit den USA über die Sanktionen gefährden könne, ging Seibert nicht direkt ein. Die Gespräche mit der derzeitigen US-Administration würden "natürlich auch mit der künftigen US-Regierung fortgesetzt".

Die Pipeline ist zu 94 Prozent verlegt, in dänischen und deutschen Gewässern fehlen noch etwa 120 Kilometer. Der russische Gazprom-Konzern bringt die Hälfte der Finanzierung des 9,5-Milliarden-Euro-Projekts auf. Zu den deutschen Finanzbeteiligten gehören Wintershall und der Energieversorger Uniper.

Kontakt zur Autorin: petra.sorge@wsj.com

DJG/pso/smh

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January 15, 2021 09:21 ET (14:21 GMT)