BERLIN (Dow Jones)--Die wichtigsten Regierungsberater für die Verkehrswende sehen gasförmige Kraftstoffe im Verbrennungsmotor nicht als langfristigen Weg zu mehr Klimaschutz auf der Straße. Verflüssigtes Erdgas (Liquefied Natural Gas, LNG) sei als Alternative zu Diesel-Nutzfahrzeugen zwar sofort einsetzbar, werde unter den Experten jedoch "sehr kontrovers diskutiert", heißt es in zwei neuen Berichten der Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität (NPM). Darin analysiert die NPM-Arbeitsgruppe Klimaschutz Wege, wie der Markthochlauf elektrifizierter schwerer Lkw und alternativer Kraftstoffe vorangebracht werden kann.

Zwar könnten LNG-Kraftstoffe langfristig anteilig oder vollständig regenerativ aus Biomasse oder erneuerbarem Strom erzeugt werden, was die CO2-Emissionen im Nutzverkehr deutlich reduzieren würde. Andererseits verursache LNG klimaschädliche Methan-Emissionen - der Stoff ist 28- bis 30-mal treibhauswirksamer als Kohlendioxid. Dies gelte auch für Biogas und Power-to-Gas. "Auch bei kurz- und mittelfristiger Nutzung besteht die Gefahr, dass der Auf- und Ausbau von Gas-Tank-Infrastrukturen zu langfristigen Pfadabhängigkeiten (Lock-in-Effekte) führt, die dem Ziel der Klimaneutralität entgegenstehen", heißt es in einer Pro-Kontra-Aufstellung in dem Bericht.


   Erdgashändler bewerben LNG als Kraftstoff 

Derzeit bewerben Gashändler LNG als Kraftstoff der Zukunft, die Uniper-Tochter Liqvis etwa eröffnet eigene Erdgas-Tankstellen. Jüngst hatte auch der Energieversorger RWE eine Studie veröffentlicht, wonach LNG umweltfreundlicher sei als Dieselkraftstoff, während andere Analysen zu gegenteiligen Auffassungen kamen. In der vergangenen Woche billigte der Bundestags-Haushaltsausschuss ein Bundesprogramm, das den Kauf von LNG-Betankungs- oder Versorgungsschiffen mit 135 Millionen Euro fördert.

Stattdessen empfiehlt die Nationale Plattform Zukunft der Mobilität - in der neben Politikern und Wissenschaftlern auch Vertreter von Automobilindustrie, Gewerkschaften, Energiewirtschaft und Umweltverbänden vertreten sind - den Straßen-Güterverkehr eher zu elektrifizieren. Dabei setzen sie sowohl auf batterieelektrische Antriebe, die Wasserstoff-Brennstoffzellentechnologie als auch auf Oberleitungs-Hybride und verweisen auch dabei auf von der Bundesregierung beauftragte aktuelle Gutachten des Öko-Instituts und Prognos.


   Klimaschutz-Ziele für Nutzfahrzeuge werden verfehlt 

Die NPM-Experten warnen, dass die Regierung ihre Klima-Ziele unter den geltenden Rahmenbedingungen (Stand Januar 2020) verfehlt. Im Klimaschutzprogramm 2030 wird das CO2-Minderungsziel von 17 bis 18 Millionen Tonnen für Nutzfahrzeuge ausgegeben - wobei etwa ein Drittel der Fahrleistung im Straßengüterverkehr bis 2030 elektrisch oder auf Basis strombasierter Kraftstoffe erbracht werden soll. In dem NPM-Bericht heißt es, dass "zum jetzigen Zeitpunkt keine Fokussierung auf einen einzigen Technologiepfad empfohlen werden kann". Dies könne aber mittelfristig sinnvoll sein.

Konkret empfehlen die Verkehrsfachleute, bis 2023 für alle drei Technologieoptionen weitere Studien durchzuführen, den Aufbau der Ladeinfrastruktur zu verstärken und Oberleitungs-Strecken von bis zu 300 Kilometer einzurichten. Bis 2025 erwarten sie, dass Wasserstoff in Kleinserien vorankommt. Bis 2027 soll dann die kostengünstige Versorgung mit grünem Wasserstoff aufgebaut werden. Danach werden die Technologien, die sich am stärksten durchgesetzt haben, weiter angeschoben.


   Investitionen in zweistelliger Milliardenhöhe für alternative Kraftstoffe nötig 

Bei den alternativen Kraftstoffen erwartet ein weiterer NPM-Bericht erst in der zweiten Hälfte der Dekade einen industriellen Hochlauf. Hierbei werden die Herstellungskosten auf 1,00 und 4,50 Euro pro Liter - ohne Steuern und Abgaben - geschätzt. "Um die erforderlichen Investitionen in zweistelliger Milliardenhöhe auszulösen, müssen die Instrumente verlässlich und über einen für die Investition angemessenen Zeitraum planbar sein", heißt es in der Studie. Dazu brauche es zusätzliche staatliche Instrumente wie Förderungen, Quoten, Ausschreibungen sowie eine entsprechende Ausgestaltung des Steuer- und Abgabesystems.

Kontakt zur Autorin: petra.sorge@wsj.com

DJG/pso/jhe

(END) Dow Jones Newswires

December 04, 2020 06:57 ET (11:57 GMT)