Von Rochelle Toplensky

LONDON (Dow Jones)--Eigentlich gilt die grüne Energie als unzuverlässig. Doch die offensichtliche Lehre aus der beschlossenen staatlichen Rettung des Energieversorgers Uniper durch die Bundesregierung ist geopolitischer Natur. Unzuverlässig ist Russland - als Partner bei der Energieversorgung. Ein zweiter Handlungsstrang in diesem mahnenden Beispiel ist jedoch der Wandel hin zu nachhaltigen Energiequellen, der die Märkte für fossile Brennstoffe unsicherer macht.

Erdgas galt einst als sicherer, zuverlässig verfügbarer Brennstoff, der das wachsende Angebot an erneuerbaren Energien während der Energiewende ergänzen würde. Uniper hat dabei auf russische Quellen gesetzt. Als Moskau die Energieversorgung zu einem Kriegsinstrument umfunktionierte, musste der Konzern teures Gas auf dem Spotmarkt kaufen, um die fehlenden russischen Lieferungen zu ersetzen.


   Frisches Staatsgeld für das Altgeschäft von Eon 

Nun ist der deutsche Staat mit insgesamt 15 Milliarden Euro in Form von Eigenkapital und Kreditlinien eingesprungen, was zu heftigen Kursschwankungen mit Haupttendenz abwärts bei der Aktie führte.

Uniper ist das "Altgeschäft" des deutschen Energieversorgers Eon, das 2016 ausgegliedert wurde, damit sich der ehemalige Eigentümer auf erneuerbare Energien, Netze und Kunden konzentrieren konnte. Der Ableger und Börsenneuling versprach den Anlegern damals "Versorgungssicherheit".

Aber nur sechs Jahre später muss dieses langweilige Altgeschäft gerettet werden. Wie bei Investitionen ist auch bei den sich schnell verändernden Energiemärkten die Entwicklung der Vergangenheit kein guter Indikator für die Zukunft. Energiesysteme sind stark verankert und bestehen aus langlebigen Anlagen zur Energieerzeugung und -nutzung.

Es liegt nahe zu glauben, dass Wandel nur langsam vonstattengeht, zumal neue Projekte Jahre dauern. Auch Anlagen sowie Prozesse, die Energie verbrauchen, sind ebenfalls teuer zu ersetzen. Diese geringe Elastizität von Angebot und Nachfrage führt zu Trägheit, kann aber auch zu großen Preisschwankungen führen, wenn sich etwas ändert und der Markt nicht im Gleichgewicht ist.

Dies zeigt sich nun schneller als erwartet. Die Investitionen in fossile Brennstoffe bleiben trotz des knappen Angebots und der hohen Preise begrenzt. Im Gegensatz dazu steigen die Investitionen in saubere Energien, da viele nachhaltige Optionen bereits kosteneffizient sind. Laut BloombergNEF werden zwei Drittel des Stroms in Ländern erzeugt, in denen es billiger ist, neue Solar- oder Onshore-Windkraftanlagen zu bauen als bestehende Kohle- oder Gaskraftwerke zu betreiben.


   Die Rolle der Politik 

Es gibt auch andere Kräfte, die den Wandel vorantreiben. Extreme Wetterbedingungen stellen bestehende Anlagen auf die Probe, die Energiesicherheit ist wieder zu einer Priorität geworden, und höhere Brennstoff- sowie Emissionspreise erhöhen das Risiko von gescheiterten Aktiva.

Das Schicksal von Uniper verdeutlicht auch, dass sich die Energiemärkte in einer Hinsicht nicht ändern: Die Politik spielt eine übergeordnete Rolle. Im Großen und Ganzen wird der Vorstoß für saubere Energie neue geopolitische Gewinner hervorbringen und gleichzeitig einige alte bedrohen.

Obwohl Wladimir Putin seine Gaswaffe in Europa in diesem Jahr mit großer Wirkung eingesetzt hat, wird Russlands Macht schwinden, wenn die Welt stärker auf grüne Energie umsteigt.


   Scheitern nicht erlaubt 

Die heutigen hohen Preise kommen auch einigen Produzenten und Händlern zugute, während sie ihre Kunden unter Druck setzen, darunter Versorger wie Uniper, die zu wichtig sind, um zu scheitern.

Für die Aktionäre birgt dies das Risiko einer Verwässerung durch staatliche Rettungsmaßnahmen oder sogar eine vollständige Verstaatlichung, wie bei der französischen EDF. Andere Versorger sind von der Innenpolitik betroffen. Die Gesetzgeber neigen dazu, schnell auf steigende Brennstoffpreise zu reagieren. Europäische Länder haben Gewinnsteuern und Preisobergrenzen eingeführt. Und US-Präsident Joe Biden setzt die Produzenten unter Druck, mehr zu bohren.

Viele Industrieländer haben sich an eine relativ reichhaltige, zuverlässige und erschwingliche Energieversorgung gewöhnt. Wie auch immer der Krieg in der Ukraine ausgeht, die kommenden Jahre des Übergangs werden billige Energie wahrscheinlich nicht mehr bieten.

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July 25, 2022 10:22 ET (14:22 GMT)