(neu: Schlusskurse sowie Kommentare von Berenberg, CMC Marktes und Jefferies)

AMSTERDAM/LONDON/NEW YORK (dpa-AFX) - Eine Übernahmeofferte des US-Lebensmittelherstellers Kraft Heinz hat die Aktien des Konsumgüterkonzerns Unilever beflügelt. Die Amerikaner bestätigten am Freitag, ein Angebot für den britisch-niederländischen Konzern abgegeben zu haben. Laut einer Mitteilung an die Börse hat Unilever den Vorschlag eines Zusammengehens aber abgelehnt.

Die in London notierten Unilever-Anteile schnellten bis auf 3848 Pence nach oben und erreichten damit ein Rekordhoch. Zum Handelsschluss gewannen sie gut 13 Prozent auf 3797 Pence. Für die im EuroStoxx und an der Börse in Amsterdam notierten Unilever-Papiere ging es ebenfalls um mehr als 13 Prozent nach oben. Die Kraft-Heinz-Aktien schlossen in New York 10 Prozent höher - während die Anteilscheine des von Kraft Foods abgespaltenen Unternehmens Mondelez um 1,62 Prozent nachgaben.

VIELLEICHT EINE DER GRÖSSTEN FUSIONEN

Marktbeobachter verwiesen darauf, dass Kraft Heinz laut Medienberichten unlängst erst wieder Interesse angemeldet habe, Mondelez wieder zurückzukaufen. Dies dürfte nun schwierig werden und entsprechend geriet der Mondelez-Kurs unter Druck. Mondelez mit Marken wie Milka, Toblerone und Tuc war erst 2011 vom damaligen Unternehmen Kraft Foods abgespalten worden. Treiber hinter der Wiedervereinigung sollte die Investmentfirma 3G des brasilianischen Multi-Milliardärs Jorge Paulo Lemann sein, wie das schweizerische Wirtschaftsmagazin "Bilanz" im Dezember vergangenen Jahres berichtet hatte.

Unilever derweil sei ein 100-Milliarden-Pfund-Schwergewicht und daher wäre dies eine der größten Zusammenschlüsse überhaupt, kommentierte Marktanalyst Neil Wilson vom Handelshaus ETX Capital. Nachdem Unilever die Offerte zunächst abgelehnt habe, hält Wilson eine Aufstockung des Angebots für durchaus wahrscheinlich. Die Taschen von Kraft-Heinz-Investor Warren Buffet seien tief, so der Experte.

ANALYST: NAHRUNGSMITTELGESCHÄFT ATTRAKTIV

Sollte Unilever tatsächlich seine Unabhängigkeit verlieren, könnte das Unternehmen damit letztlich zu wenig und zu spät auf die Forderungen des Marktes bezüglich einer höheren Produktivität und einer Verbesserung der Liquiditätszuflüsse reagiert haben, schrieb der Experte Martin Deboo vom Analysehaus Jefferies.

Doch gleichwohl habe Unilever auch Vorzüge, zeigte sich Analyst James Targett von der Privatbank Berenberg überzeugt. So sei das Nahrungsmittelgeschäft - mit Ausnahme der Brotaufstriche - strukturell attraktiv und wachse im mittleren einstelligen Prozentbereich. Dies sei im Branchenvergleich spitze. Insbesondere die Aktivitäten von Unilever in den Schwellenländern könnten für Kraft Heinz interessant sein.

ENTLASSUNGEN BEFÜRCHTET

Allerdings würde eine Fusion in dieser Größenordnung wohl auch mit massiven Kostensenkungen einhergehen, von denen viele Arbeitnehmer in den Niederlanden und in Großbritannien betroffen sein könnten, gab Marktanalyst Michael Hewson vom Handelshaus CMC Marktes zu bedenken. Insofern dürfte sich die Regierung in London den Deal genau anschauen, schließlich wolle sie im Zuge des Brexits aktuell so viele Arbeitsplätze in dem Land wie möglich sichern.

Kraft habe die Regierung bereits bei der Übernahme des Süßwaren-Produzenten Cadbury düpiert, fuhr Hewson fort. Die Amerikaner hatten 2010 rund 400 Cadbury-Mitarbeiter entlassen - und das nur eine Woche nach ihrem Versprechen, die Arbeitsplätze erhalten zu wollen. Es sei schwer vorstellbar, dass sich ähnliches nun wiederholen könnte, meinte der Experte./la/he