Interview mit Sandro Spaeth, Mitglied der Chefredaktion 20 Minuten, zum jahrelangen Kampf um Einsicht in Dokumente zum Datenklau bei der Swisscom.

Sandro, Du hast gut 3 Jahre gekämpft, um die Dokumente einsehen zu dürfen, die Swisscom im Zusammenhang mit dem Diebstahl von 800'000 Nutzer*innen-Profilen geheim halten wollte und hast schliesslich Recht bekommen. Hat sich der lange Kampf gelohnt?

Ja, es hat sich sehr gelohnt, an dieser Sache dran zu bleiben und sich nicht von der Swisscom und ihren Anwälten einschüchtern zu lassen. Dank der vor Gericht frei gekämpften Dokumente gelang es aufzuzeigen, dass Schweizer Kundendaten in Tunesien abhanden gekommen sind und dass die Swisscom die Öffentlichkeit ursprünglich gar nicht über den Datenklau informieren wollte. Beim Vorfall handelt es sich um ein Ereignis, dessen Hintergründe nicht unter dem Deckel bleiben dürfen. Dass der Eidgenössische Datenschutzbeauftragte (EDÖB) meine Meinung stützte, machte mir Mut.

Stiess der Artikel auf grosses Interesse oder hat die Swisscom insofern gesiegt, dass der Fall nun schon so weit zurückliegt, dass die Öffentlichkeit gar nicht mehr wusste, um was es ging?

Als der Datenklau im Februar 2018 bekannt wurde, war das Interesse am Fall natürlich riesig. Selbstverständlich hat die Zeit für die Swisscom gespielt und die akute Betroffenheit unserer User*innen war nicht mehr ganz so gross. Da die Details zum Fall aber etwas von einem Krimi haben, fand ich einen Weg, den Leser*innen eine spannende Story zu präsentieren - und diese ist auf grosses Interesse gestossen. Es war mir aber auch wichtig, eine faire Story zu machen und die Position der Swisscom ebenfalls wiederzugeben.

So eine ausführliche Recherche würde man nicht unbedingt bei 20 Minuten erwarten… Persönliches Interesse von Dir? Oder wie kam es dazu?

Wer regelmässig 20 Minuten liest, wird feststellen, dass wir öfter ausführliche Recherchen haben. Nun zum konkreten Fall: Als die Swisscom 2018 den Vorfall kommunizierte, kam mir die Geheimnistuerei verdächtig vor. Ich wollte mehr herausfinden und versuchte aufgrund des Öffentlichkeitsgesetzes die Unterlagen einsehen zu können, die der EDÖB aus seinem Austausch mit der Swisscom angelegt hatte. Als die Swisscom eine Offenlegung massiv bekämpfte, weckte das bei mir die journalistischen Instinkte. Die Reaktion: Wenn sich jemand so massiv gegen eine Veröffentlichung wehrt, müssen die Dokumente brisant sein.

Wie gingst Du bei deinen Recherchen vor?

Es brauchte vor allem Wissen zum Thema Öffentlichkeitsgesetz, Geduld und das konsequente Einhalten der Beschwerdefristen. Zum Glück konnte ich fürs Verfassen der Beschwerde-Antworten, warum wir die Dokumente einsehen möchten, auf die Hilfe unseres Rechtskonsulenten Matthias Seemann zählen. Und wenn man die Dokumente dann zugestellt bekommt, gilt es rasch viele Dutzend Seiten zu sichten und daraus eine für die Allgemeinheit verständliche Geschichte zu machen. Dass ich an der Columbia University den Investigative Reporter Course besucht hatte, hat bei dieser Story sicher auch geholfen.

Sind Du und Dein Team an weiteren grossen Geschichten dran?

20 Minuten hat kein Rechercheteam, das sich ausschliesslich auf grosse Enthüllungen spezialisieren kann. Wenn es sich aber irgendwo anbietet, konzentrierten wir unsere Kräfte oder beissen uns in einem Thema fest. Diese Swisscom-Sache zeigt: Selbstverständlich kann auch 20 Minuten Enthüllungsgeschichten realisieren. Und es ist schön, dass dies nicht nur bei unseren Leser*innen auf Echo gestossen ist, sondern auch innerhalb der der Fachwelt für Reaktionen gesorgt hat.

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TX Group AG published this content on 13 September 2021 and is solely responsible for the information contained therein. Distributed by Public, unedited and unaltered, on 13 September 2021 13:41:02 UTC.