Von Andrea Thomas

BERLIN (Dow Jones)--Der Digitalverband Bitkom hat mit Unverständnis auf die Kritik von Bundeskanzlerin Angela Merkel an der Sperrung der Social Media-Kanälen von US-Präsident Donald Trump durch amerikanische Internetplattformen reagiert. "Die Bundesregierung vollzieht damit eine 180-Grad-Wende in ihrer Politik gegen Hassrede und strafwürdige Inhalte im Internet", erklärte Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder.

Mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) habe die Bundesregierung erst kürzlich die Betreiber großer Plattformen wie Twitter, Facebook und Youtube gesetzlich verpflichtet, aktiv, eigenständig und ohne weitere Aufforderung durch Gerichte oder Behörden einzugreifen, wenn sie strafbare Inhalte auf ihren Plattformen entdeckten. Tun sie dies nicht innerhalb von 24 Stunden und in schwierig zu entscheidenden Fällen innerhalb einer Woche, drohten ihnen Millionen-Strafen.

"Dass diese Praxis auch die Meinungsfreiheit einschränken wird, wurde nicht nur von Bitkom vielfach angemahnt, seitens der Bundesregierung wurde es bewusst in Kauf genommen", so Rohleder. Die Plattformbetreiber handelten in jenem Sinne, der ihnen durch das NetzDG verbindlich vorgegeben wird.


Bundesregierung agiert widersprüchlich 

Die Bundesregierung möge den Plattformbetreibern vorwerfen, dass sie über das Ziel hinausschießen, wenn sie nicht nur einzelne Tweets oder Posts löschen, sondern einen Account komplett stilllegen. "Man kann ihnen aber nicht vorwerfen, dass sie die Meinungsfreiheit einschränken, nachdem man sie mit dem NetzDG aufgefordert hat, genau dies bei strafbaren Inhalten zu tun", so Bitkom. "Eine solche Haltung ist zutiefst widersprüchlich. Die Bundesregierung wird sich entscheiden müssen, ob sie Betreiber zu eigenständigen Eingriffen auf ihren Plattformen zwingen will oder nicht."

Merkel hatte am Montag durch ihren Sprecher Steffen Seibert ausrichten lassen, sie halte es für "problematisch", dass die Unternehmensführung von Social Media-Plattformen sich eigenmächtig und nicht auf Basis von Gesetzen zur Sperrung von Trumps Konten entschlossen hätten.

Zuvor hatte der Kurznachrichtendienst Twitter den Account von Trump dauerhaft gesperrt. Als Grund nannte Twitter das "Risiko weiterer Anstiftung zur Gewalt". Auch Facebook und Instagram haben die Accounts von Trump gesperrt.

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DJG/aat/jhe

(END) Dow Jones Newswires

January 12, 2021 10:33 ET (15:33 GMT)