Von Rochelle Toplensky

BRÜSSEL (Dow Jones)--Investoren haben sich längst daran gewöhnt, europäische Bemühungen um eine stärkere Regulierung der US-Tech-Giganten mit einem Schulterzucken abzutun. Der Zeitpunkt, ab dem sie den europäischen Regulierungsbehörden Gehör schenken sollten, mag zwar noch nicht gekommen sein, rückt aber unaufhaltsam näher.

Am Vortag gab es gleich von mehreren Seiten Neuigkeiten. So hat Irland Twitter wegen Verstoßes gegen europäische Datenschutzregeln eine Geldstrafe von 450.000 Euro auferlegt, Großbritannien hat Grundzüge eines Gesetzesvorhabens zur Regulierung sozialer Netzwerke öffentlich gemacht, und die Europäische Kommission stellte ihre lang angekündigten Vorschläge für ein Gesetz für Digitale Dienste und zur Marktkontrolle vor.

Darüber hinaus sind in Europa weitere nationale Gesetzesvorhaben in der Mache. Wiederholte Warnungen der Tech-Giganten, dass Regulierung und Auflagen Innovation gefährden, stoßen zunehmend auf taube Ohren - so wie zuletzt in Washington.

Die europäischen Gesetzesvorhaben zielen vor allem auf zwei Dinge ab: So sollen zum einen Plattformanbieter beim Kampf gegen Falschnachrichten und illegale Inhalte im Netz stärker in die Pflicht genommen werden. Zum anderen soll die Marktmacht der großen Digitalkonzerne beschnitten und damit dafür Sorge getragen werden, dass auch kleinere Wettbewerber neben ihnen bestehen können.

Beides wird die Art und Weise, wie Amazon, Facebook, Apple, Alphabet und Co ihr Geld verdienen, unmittelbar beeinflussen. Bisher sind die europäischen Behörden lediglich auf Basis des Kartellrechts gegen die US-Tech-Giganten vorgegangen. Diese Schwerter haben sich jedoch meist als recht stumpf erwiesen und konnten die Platzhirsche nie bis ins Mark treffen.

Die neuen Gesetzesvorhaben aus Brüssel dagegen sind zudem verknüpft mit der Androhung empfindlicher Geldbußen für den Fall, dass die Tech-Riesen sich nicht an die Regeln halten.

In der Vergangenheit ist es den Tech-Konzernen zumeist gelungen, Regulierung auf nationaler Ebene zu umgehen. Das wird bei den neuen EU-Vorhaben nicht mehr ohne Weiteres möglich sein, selbst wenn die nationalen Gesetzgebungen voneinander abweichen. Für die Tech-Giganten kann es durchaus von Bedeutung sein, wenn sich die Schlupflöcher in Europa schließen. Schließlich stand die Region im vergangenen Jahr für etwas weniger als ein Viertel des Umsatzes von Apple und Facebook.

Dennoch steht die Party für die Tech-Konzerne nicht unmittelbar vor dem Aus. Bis die Vorhaben der EU-Kommission in Gesetzestexte gegossen und umgesetzt sein werden, werden noch ein, zwei Jahre ins Land gehen. Auch mit Blick auf mögliche Zerschlagungen können sich Investoren zunächst beruhigt zurücklehnen. Denn auch wenn das EU-Gesetzesvorhaben solche Vorschläge für den Fall notorischer Verstöße gegen die Regeln enthält, so erscheint es doch schwer vorstellbar, dass EU-Behörden ein US-Unternehmen tatsächlich zerschlagen würden.

Nichtsdestotrotz würde eine Umsetzung der neuen europäischen Regulierungsvorhaben Spuren in den Bilanzen der betroffenen Technologie-Konzerne hinterlassen. Zwar sind die Vorhaben, so wie sie auf dem Tisch liegen, kein Verkaufssignal für Investoren. Doch ebenso wenig können es sich Investoren leisten, die Zeichen aus Europa zu ignorieren. Denn Europa wird nicht locker lassen.

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December 16, 2020 09:27 ET (14:27 GMT)