HANNOVER (awp international) - Die viel diskutierte Kapitalerhöhung beim von der Corona-Krise schwer getroffenen Reisekonzern Tui könnte tatsächlich kommen. Das bereits staatlich gestützte Unternehmen erwägt nun einen solchen Schritt, um die Belastungen durch die Covid-19-Pandemie besser abfedern zu können. Die Massnahme könne kurz- oder mittelfristig erfolgen, teilte Tui am späten Donnerstagabend in Reaktion auf entsprechende Presseberichte in Hannover mit. Am Freitagmorgen verlor die Tui-Aktie vorbörslich auf der Handelsplattform Tradegate mehr als zwei Prozent.

Laut Tui ist eine endgültige Entscheidung über eine Kapitalerhöhung aber noch nicht gefallen. Auch Zeitpunkt und Volumen einer solchen Massnahme stünden noch nicht fest. Der Konzern signalisierte aber, dass der Umfang bescheidener ausfallen dürfte als das in den Medienberichten genannte Volumen von 1 bis 1,5 Milliarden Euro. Tui stellte zudem klar, dass der Konzern verschiedene Massnahmen prüfe, um seine "Bilanzstruktur und das Fälligkeitsprofil der Finanzverbindlichkeiten zu optimieren".

Schon seit dem Sommer wird über eine Kapitalerhöhung bei Tui spekuliert. Die Experten von Jefferies sprachen daher in einer ersten Reaktion von "keiner Überraschung. Die Flaute in der Reisebranche durch die Viruspandemie hat den Konzern schwer getroffen: Tui will deshalb jährliche Kosten zwischen 300 und 400 Millionen Euro einsparen und hat bereits unter anderem den Abbau von rund 8000 Stellen angekündigt sowie die Verkleinerung der konzerneigenen deutschen Fluggesellschaft Tuifly.

Die Krise lässt sich auch am Börsenkurs ablesen. Seit dem kurz vor dem Corona-Schock erreichten Zwischenhoch haben die in London und Frankfurt notierten Papiere jeweils gut zwei Drittel an Wert eingebüsst.

Mittlerweile hat sich auch der Staat eingeschaltet: Den Hannoveranern war im Frühjahr als erstem deutschen Grossunternehmen bereits ein Krisendarlehen über 1,8 Milliarden Euro zugesprochen worden. Derzeit wird ein weiteres Hilfspaket auf den Weg gebracht.

Das recht komplizierte Konstrukt der geplanten neuen Staatshilfen war zuletzt einen entscheidenden Schritt weiter gekommen. Am Mittwoch hatte der Wirtschaftsstabilisierungsfonds der Bundesrepublik wie geplant eine Wandelanleihe in Höhe von 150 Millionen Euro gezeichnet, wodurch sämtliche Voraussetzungen für eine weitere Kreditlinie der KfW-Bank erfüllt wurden.

Zusammen mit der Anleihe erhält der weltgrösste Reisekonzern damit weitere 1,2 Milliarden Euro, um die Corona-Krise zu bewältigen. Der Staat kann die mit 9,5 Prozent verzinste Anleihe jederzeit in 9 Prozent der Unternehmensanteile wandeln. Damit liefe es ähnlich wie bei der Lufthansa auf eine Staatsbeteiligung hinaus.

Einschliesslich dieses zweiten Stabilisierungspakets verfügt Tui nach jüngsten Angaben über Finanzmittel in Höhe von rund zwei Milliarden Euro. Der Konzern hatte bereits mitgeteilt, dass das Paket ausreichend Liquidität sicherstelle, um die saisonalen Schwankungen im Winter 20/21 abzudecken "Wir müssen diese Zeit ohne nennenswerte Umsätze überbrücken und beschleunigen gleichzeitig den Umbau für die Zeit nach Corona", hatte Tui-Chef Fritz Joussen erklärt./tav/knd/jha/