HAMBURG (awp international) - Das Hin und Her mit den Reisewarnungen für einzelne Urlaubsregionen wird Kunden und Reiseanbieter aus Sicht von Tui-Chef Fritz Joussen noch bis ins nächste Jahr hinein in Atem halten. "Reisewarnungen kommen und gehen", sagte der Chef des weltgrössten Reisekonzerns am Montag bei einer Veranstaltung der Hamburger Touristik-Fachzeitschrift "FVW", der er per Internet zugeschaltet war. "Ich gehe nicht davon aus, dass sich das im Winter gross ändern wird." Dennoch erwartet er, dass das Reisegeschäft 2021 deutlich anzieht. Und das Jahr 2022 werde "sehr stark". Der Manager zeigte sich daher zuversichtlich, dass der Konzern die milliardenschweren Staatshilfen nach der Krise zurückzahlen kann.

Für eine rasche Erholung des Reisegeschäfts spricht Joussen zufolge ausgerechnet das Buchungsverhalten der Urlauber in der Krise. "Der Spass an der internationalen Urlaubsreise ist ungebrochen", sagte er. So könnten Kunden, die heute einen Urlaub für die Herbstferien planten, nicht wissen, "ob es dann nicht doch irgendwo eine Reisewarnung gibt, wo es sie heute nicht gibt". Angesichts dessen müsse man sich "überhaupt wundern, dass es trotzdem solche erheblichen Buchungen gibt".

Nachdem das Auswärtige Amt die Reisewarnungen für die meisten EU-Mitgliedsstaaten Mitte Juni aufgehoben hatte, wurden inzwischen wieder neue Reisewarnungen für bestimmte Regionen verhängt - etwa für das spanische Festland und die Balearen einschliesslich der bei deutschen Urlaubern besonders beliebten Insel Mallorca.

Joussen zufolge buchen viele Kunden ihre Reisen zwar derzeit "wesentlich kurzfristiger" als in der Zeit vor der Pandemie. Andererseits gebe es für 2021 "eine relativ starke Normalisierung" bei den Buchungszahlen. Derzeit lägen die Buchungen für 2021 etwa doppelt so hoch, wie es sonst zu diesem Zeitpunkt für das Folgejahr zu erwarten sei. Dennoch will er bei der Festlegung des Reiseangebots für das kommende Jahr vorsichtig sein: "Wir werden eher am unteren Ende planen und uns dann positiv überraschen lassen."

Joussen rechnet "für eine gewisse Zeit" mit Überkapazitäten bei Hotels, Kreuzfahrten und im Flugbetrieb. Im Fluggeschäft reagiert die Konzernführung bereits mit herben Kürzungsplänen auf die Herausforderungen. So will sie die Flotte des deutschen Ferienfliegers Tuifly auf 17 Maschinen in etwa halbieren.

Spekulationen über einen möglichen Zusammenschluss von Tuifly mit der Konkurrentin Condor wollte Joussen nicht direkt kommentieren. "Wir können nicht warten. Wir müssen das tun, was wir aus eigener Kraft machen können." Condor befindet sich nach der Pleite ihres einstigen Mutterkonzerns Thomas Cook (Neckermann Reisen) vor knapp einem Jahr in einem Schutzschirmverfahren. Eine geplante Übernahme des Ferienfliegers durch die polnische Fluggesellschaft LOT war zu Beginn der Corona-Krise geplatzt.

Unterdessen bereitete Joussen die Anteilseigner auf eine mögliche Kapitalerhöhung nach der Corona-Krise vor. "Wir müssen an der Bilanz etwas machen, das schauen wir uns an", sagte er. Möglich sei "zum Beispiel" eine Kapitalerhöhung oder ein Deal im Bereich Übernahmen und Fusionen. So hatte der Konzern zuletzt seine Tochter Hapag-Lloyd Kreuzfahrten in das Gemeinschaftsunternehmen Tui Cruises eingebracht und damit 700 Millionen Euro erlöst.

Die milliardenschwere Staatshilfe sei zwar für die Krisenphase gut gewesen, sagte Joussen. "Langfristig müssen wir uns aber über den Kapitalmarkt finanzieren." Dem Reisekonzern war wegen der vom Staat verhängten Reiseverbote infolge der Corona-Krise ab Mitte März drei Monate lang praktisch das komplette Geschäft weggebrochen. In der verspätet angelaufenen Sommersaison liegt das Geschäft auf deutlich geringerem Niveau als im Vorjahr.

Der deutsche Staat stützt Tui mit einem Darlehen über 1,8 Milliarden Euro. Zudem hat sich der Konzern weitere staatliche Unterstützung von 1,2 Milliarden Euro gesichert. Zu diesem Paket gehört auch eine Option für den Staat, sich durch die Umwandlung einer Wandelanleihe an dem Reisekonzern zu beteiligen. Joussen zeigte sich überzeugt, dass der Konzern die Staatshilfe zurückzahlen kann, wenn die Nachfrage im Reisegeschäft nach der Krise zurückkommt./stw/knd/he