--Wirtschaftsministerium: Unternehmen war vor der Krise profitabel

--Bund sichert sich Sperrminorität

--Grüne fordern Mitspracherecht bei Klimaschutz und Arbeitsplätzen

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Von Stefanie Haxel

BERLIN (Dow Jones)--Der durch die Corona-Krise ins Straucheln geratene Reisekonzern Tui hat sich mit seinem Großaktionär Alexej Mordaschow, Banken und dem Bund auf ein Finanzierungspaket in Höhe von 1,8 Milliarden Euro geeinigt. Das neue Hilfspaket umfasst auch eine Bezugsrechtskapitalerhöhung in Höhe von rund 500 Millionen Euro sowie stille Einlagen des Wirtschaftsstabilisierungsfonds des Bundes (WSF), wie der Konzern mitteilte.

"Die heute beschlossenen Maßnahmen sind wichtig, denn das Unternehmen war vor der Krise profitabel und hat als Unternehmen der Reisebranche durch die Corona-Krise mit nie dagewesenen Schwierigkeiten zu kämpfen", erklärte das Bundeswirtschaftsministerium dazu.

Die erneute Finanzspritze sei angesichts der zunehmenden Reisebeschränkungen durch wieder ansteigende Infektionszahlen und ein damit verbundenes kurzfristigeres Buchungsverhalten einiger Kunden notwendig geworden. Tui verfüge nun über eine ausreichende Liquiditätsreserve, die auch die bis zum Beginn der Sommersaison 2021 angenommenen Reisebeschränkungen ausgleichen werde.

An der Börse kam Nachricht nicht gut an, obwohl in den Medien seit geraumer Zeit über ein mögliches neues Paket berichtet worden war. Schätzungen über die Höhe des Pakets hatten im Vorfeld zwischen 1,5 und 1,8 Milliarden Euro gelegen. Die Aktie baute die Verluste aus und gab am Nachmittag 5,4 Prozent ab.


   Wandlungsrecht mit Sperrminorität des Staates 

Der Ausschuss des Wirtschaftsstabilisierungsfonds hatte zuvor einer stillen Einlage ohne Verlustbeteiligung, die in Tui-Aktien gewandelt werden kann, in Höhe von 420 Millionen Euro (Stille Einlage I) zugestimmt. Das Paket umfasst noch eine weitere stille Einlage mit Verlustbeteiligung in Höhe von 280 Millionen Euro (Stille Einlage II). Sollte der WSF von der Wandlung Gebrauch machen, würde er in der Folge jedoch nicht mehr als 25 Prozent plus eine Aktie an dem Konzern halten, so Tui weiter. Das Wirtschaftsministerium erklärte, in diesem Fall über eine Sperrminorität zu verfügen.

Darüber hinaus habe sich die staatliche Förderbank KfW an einer weiteren gesicherten Kreditlinie in Höhe von 200 Millionen Euro zu verpflichten und eine Prolongation eines Teilbetrags ihrer bestehenden Kreditlinie zu gewähren. Die Einigung über die KfW-Beteiligung steht unter anderem unter dem Vorbehalt der Umsetzung der übrigen Komponenten des Finanzierungspakets.


   WSF-Maßnahmen summieren sich auf bis zu 1,1 Milliarden Euro 

Über einen weiteren Betrag von bis zu 400 Millionen Euro liefen aktuell noch Gespräche zwischen Tui, den Ländern und dem WSF, erklärte das Wirtschaftsministerium. Offen sei, inwieweit hier eine Abdeckung über Bürgschaften oder Garantien zusammen mit Finanzinstituten erfolgen könne, um auch die Länder einzubeziehen. Insgesamt könnten sich die Maßnahmen allein des Wirtschaftsstabilisierungsfonds auf bis zu 1,1 Milliarden Euro belaufen.

Die Auszahlung ist jedoch an Vorgaben geknüpft - so dürfen die Tui-Manager keine Boni oder andere variablen Vergütungen erhalten. Auch sind Dividendenzahlungen oder Leistungen anderer nicht geschuldeter Gewinnausschüttungen ausgeschlossen. Der Hilfe muss noch die Europäische Kommission zustimmen.


   Mordaschow hält sich Aufstockung vor 

Die Unifirm Ltd, ein Unternehmen in Besitz des russischen Oligarchen Alexej Mordaschow, werde als größte Einzelaktionärin mit einer Beteiligung von rund 24,89 Prozent ihr Bezugsrecht im Rahmen der Kapitalerhöhung ausüben. Sollten die restlichen Aktien nicht gezeichnet werden, verpflichtete sich Unifirm zudem, weitere neue Aktien zu zeichnen und damit ihre Beteiligung auf mindestens 29,9 Prozent aufzustocken. Sollte die Bafin die Holding von der Pflicht zur Abgabe eines Übernahmeangebotes befreien, sei auch eine Gesamtbeteiligung von bis zu 36 Prozent möglich.

Die Bundesregierung hat Tui bereits zwei Mal unter die Arme gegriffen. Im April gewährte die staatliche Förderbank KfW dem Tourismuskonzern einen Kredit in Höhe von 1,8 Milliarden Euro und im August einigte sich der Konzern mit Berlin auf ein zusätzliches Stabilisierungspaket in Höhe von insgesamt 1,2 Milliarden Euro unter der Beteiligung der KfW und des WFS. Anfang Oktober hatte der Konzern mitgeteilt, dass er angesichts des weiterhin volatilen Marktumfeldes infolge der Covid-19-Krise verschiedene Maßnahmen prüfe, um Bilanzstruktur und Fälligkeitsprofil der Verbindlichkeiten zu optimieren.


Grüne: Fehler der Lufthansa nicht wiederholen 

Sven-Christian Kindler, Haushaltssprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, fordert bei einer staatlichen Rettung der Tui "klare Vereinbarungen" für den Klimaschutz und zu den Sozialstandards. Blankoschecks dürfe es nicht geben. "Beim Thema Arbeitsplätze und Klimaschutz muss die Bundesregierung ein Mitspracherecht erhalten. Die Bundesregierung darf nicht dieselben Fehler wiederholen wie bei der Lufthansa", erklärte Kindler bereits vor der offiziellen Bekanntgabe der Rettungsgelder. "Wenn der Staat einsteigt, also ins Risiko geht, dann muss er auch im Aufsichtsrat und in der Hauptversammlung konkret mitreden dürfen. Volles Risiko, aber keine Mitsprache bei strategischen Unternehmensentscheidungen, das ist inakzeptabel."

Konzernchef Fritz Joussen schloss zuletzt weitere Staathilfen für seinen Konzern nicht aus - gab sich aber dennoch betont optimistisch, dass die Nachfrage grundsätzlich da sei und der Reisemarkt sich rasch normalisieren werde, sobald ein Impfstoff verfügbar sei. Diese Einschätzung bekräftigte der Konzern am Mittwoch.

Auch die Familie Mordaschow äußerte sich zuversichtlich zu den Aussichten des Konzerns: "Als langjähriger strategischer Investor hat die Familie Mordashow keinen Zweifel daran, dass das Geschäftsmodell des Tui-Konzerns intakt ist und die mittel- und langfristigen Aussichten äußerst positiv sind", teilte sie per Email mit. Die aktuellen Herausforderungen seien eine direkte Konsequenz der Pandemie. Der Konzern habe in den vergangenen Jahren eine "Erfolgsgeschichte mit beträchtlichem Wachstum" geschrieben und werde „sehr sicher" auf den Wachstumspfad zurückkehren.

Teil der Finanzierungsmaßnahme soll weiterhin auch eine Avalkreditlinie in Höhe von 400 Millionen Euro sein, die durch eine Staatsgarantie, ggfs. unter Einbeziehung der Bundesländer, abgesichert werde.

Einschließlich des jetzt vereinbarten Finanzierungspakets verfügt die Tui AG zum 30. November 2020 und nach Rückführung einer Anleihe über 300 Millionen Euro pro forma über Finanzmittel und Kreditfazilitäten in Höhe von 2,5 Milliarden Euro.

(Mitarbeit: Petra Sorge und Andrea Thomas)

Kontakt zur Autorin: petra.sorge@wsj.com

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December 02, 2020 10:52 ET (15:52 GMT)