WASHINGTON (dpa-AFX) - Nach neuen Erkenntnissen zum Absturz einer Boeing 737-Max-8 in Äthiopien haben auch die USA ein Startverbot für alle Flugzeuge der 737-Max-Reihe erlassen. Die US-Luftfahrtbehörde FAA, die zuvor unter massiven Druck geraten war, folgte damit am Mittwoch dem Beispiel der EU, Kanadas und zahlreicher anderer Staaten. In einer Dringlichkeits-Anordnung verfügte die FAA ein Startverbot für alle Boeing 737 Max, die in den USA fliegen oder von US-Fluglinien betrieben werden. Der US-Luftfahrtkonzern Boeing empfahl am Mittwoch als Vorsichtsmaßnahme ein vorübergehendes Startverbot für alle 371 Flugzeuge der Baureihe 737-Max weltweit.

Die FAA teilte mit, Ermittler hätten am Mittwoch neue Hinweise an der Unfallstelle gesammelt und analysiert. Diese Hinweise sowie neue Satellitendaten hätten zu der Entscheidung geführt. Das Startverbot bleibe in Kraft, solange weitere Untersuchungen wie etwa die Auswertung der Flugdaten der abgestürzten Maschine liefen. Die Boeing 737 Max 8 der Ethiopian Airlines war am Sonntag kurz nach dem Start abgestürzt. Knapp fünf Monate zuvor war in Indonesien eine baugleiche Maschine ebenfalls kurz nach dem Abheben abgestürzt.

Der kanadische Transportminister Marc Garneau sagte in Ottawa, Experten seines Ministeriums hätten am Mittwoch auf Grundlage neuer Informationen den Flugverlauf der in Äthiopien abgestürzten Boeing 737 Max 8 mit dem der Maschine verglichen, die im Oktober in Indonesien abgestürzt war. Dabei hätten sich Ähnlichkeiten ergeben. Das habe zu der Entscheidung geführt, ein Start-, Lande- und Überflugverbot für alle Maschinen der 737-Max-Reihe zu erlassen.

US-Präsident Donald Trump hatte das Startverbot für die Flugzeuge der 737-Max-Reihe in den USA kurz vor der FAA-Mitteilung angekündigt. Sicherheit sei das wichtigste Anliegen, sagte Trump im Weißen Haus. Maschinen, die in den USA noch in der Luft seien, müssten nach der Landung bis auf Weiteres an dem jeweiligen Flughafen verbleiben. Trump sprach von einer "sehr schwierigen Entscheidung".

Das Startverbot für die 737 Max ist erst das dritte Mal, dass die FAA eine gesamte Baureihe eines Flugzeugtyps vorübergehend aus dem Verkehr nimmt. Nach einem Absturz in Chicago im Jahr 1979 hatte die FAA ein vorübergehendes Flugverbot für die McDonnell Douglas DC-10 erlassen. 2013 folgte nach dem Brand von Batterien ein vorübergehendes Startverbot für die Boeing 787 Dreamliner. Die FAA hatte am Dienstagabend noch mitgeteilt, es gebe keine Erkenntnisse, die ein Startverbot für die Boeing 737 Max rechtfertigen würden.

Schon vor den USA hatten Europa, weite Teilen Asiens und zuletzt Kanada den Flugzeugtyp mit einem Startverbot belegt. Mit dem Verbot in den USA stehen inzwischen mehr als 300 der seit 2017 gut 370 ausgelieferten Maschinen am Boden. An den deutschen Flughäfen gab es am Mittwoch für die Passagiere nur geringe Einschränkungen. Am größten deutschen Flughafen in Frankfurt waren von dem am Dienstag verhängten europaweiten Flugverbot lediglich zwei Flüge betroffen, in anderen Städten gab es gar keine Auswirkungen.

Boeing teilte am Mittwoch mit, die Empfehlung, die Maschinen vorübergehend am Boden zu lassen, sei eine reine Vorsichtsmaßnahme. "Boeing hat weiterhin volles Vertrauen in die Sicherheit der 737 Max." Der Konzern sicherte zu, man unternehme alles, um der Ursache für die Abstürze in Äthiopien und Indonesien auf den Grund zu gehen.

Die meisten Flugzeuge der Boeing-737-Max-Reihe in den USA hat Southwest Airlines im Einsatz, die Fluggesellschaft verfügt über 34 Boeing 737 Max 8. American Airlines - die größte US-Fluggesellschaft

- setzt 24 Boeing 737 Max 8 ein. Für United Airlines fliegen 14

Maschinen vom größeren Typ Boeing 737 Max 9. Nach dem Absturz in Äthiopien hatten Flugbegleiter von Southwest Airlines und von American Airlines ein Startverbot für die Boeing 737 Max 8 gefordert.

Bei dem Absturz der Maschine von Ethiopian Airlines bei Addis Abeba waren am Sonntag 157 Menschen ums Leben gekommen. Der Crash ähnelte einem ersten Unfall mit der 737 Max vor einigen Monaten in Indonesien mit 189 Toten. Die Flugschreiber der am Sonntag verunglückten Boeing sollen zur Analyse nach Europa und nicht wie eigentlich üblich ins Herstellerland USA geschickt werden, teilte die Fluggesellschaft Ethiopian Airlines mit. Die sogenannten Blackboxes zeichnen den Sprechfunk im Cockpit sowie alle Flugdaten auf.

Nach Einschätzung von Experten sind derzeit ausreichend Ersatzflugzeuge und Reserven vorhanden, so dass größere Störungen im Flugbetrieb in Deutschland verhindert werden können. Das erst 2017 eingeführte Modell sei noch nicht so stark im Markt vertreten, sagte der Airline-Berater Gerd Pontius der Deutschen Presse-Agentur. "Wir befinden uns noch in der Wintersaison, in der es ausreichend Flugzeuge gibt", meinte auch Gerald Wissel von der Airborne-Beratung. Sollte sich das Flugverbot bis in die Osterferien ziehen, werde es jedoch erste spürbare Kapazitätsprobleme geben, meinte der Experte.

Der Tui-Konzern will den Ausfall seiner Boeing-737-Max-8-Flotte vor dem Oster-Reiseverkehr mit Charter-Flugzeugen ausgleichen. Zur Frage möglicher Kompensationszahlungen für den Ausfall wollte sich das Unternehmen nicht äußern. Der Flugstopp kostet Tui nach eigenen Angaben rund drei Millionen Euro pro Woche. Betroffen seien alle 15 Maschinen, sagte ein Tui-Sprecher der Deutschen Presse-Agentur. Zuvor hatte das "Handelsblatt" über die zusätzlichen Kosten berichtet.

Die hoch verschuldete norwegische Fluggesellschaft Norwegian pocht bereits auf Schadenersatz. Es sei offensichtlich, dass die Kosten, die durch das vorübergehende Startverbot für brandneue Flugzeuge entstünden, von denjenigen getragen werden müssten, die diese Maschinen hergestellt hätten, sagte ein Unternehmenssprecher der Deutschen Presse-Agentur. Nach Berechnungen des Analysehauses Bernstein verliert Norwegian jeden Tag mehr als 750 000 Euro, wenn die Max-Flugzeuge am Boden bleiben./cy/DP/fba