Von William Boston

BERLIN (Dow Jones)--Im Wettlauf um billigere Elektroautos mit größerer Reichweite investieren die Autohersteller immer mehr Geld in eine lange Zeit als reine Zukunftsmusik geltende Technologie. Und Festkörperbatterien könnten dem E-Auto wirklich zum Durchbruch verhelfen. Noch werden in den meisten Elektrofahrzeugen Lithium-Ionen-Batterien verwendet, die im Laufe der Jahre zwar leistungsfähiger und erschwinglicher geworden sind, aber auch ihre Grenzen haben, wie zum Beispiel das Risiko, Feuer zu fangen.

Die Festkörperbatterien haben das Potenzial, die Ladezeiten zu verkürzen und die Akkus sicherer zu machen, da die entflammbare Elektrolytlösung, die in Lithium-Ionen-Batterien verwendet wird, entfällt, so Autoexperten und Analysten. Dennoch ist die Technologie nach wie vor kostspielig und in der Praxis relativ unerprobt - eine Hürde, deren Überwindung für den Massenmarkt Jahre brauchen dürfte. Unter anderem treibt Toyota die interne Entwicklung von Festkörperbatteriezellen voran. Anfang dieses Monats erklärte der japanische Automobilhersteller, dass er mehr Zeit brauche, um die Technologie für vollelektrische Autos zu entwickeln, obwohl er vorerst kleinere Festkörperbatterien in Hybridfahrzeugen einsetzen werde.


   VW, Ford, BMW und Toyota preschen vor 

Andere große Autokonzerne wie VW, Ford und BMW haben in Start-ups für Festkörperbatterien investiert, um die Technologie zu perfektionieren und sie zur Serienreife zu bringen. Nach Schätzungen des Beratungsunternehmens Alixpartners haben einige führende Batterie-Start-ups bisher rund 2 Milliarden US-Dollar von Automobilherstellern und Finanzinvestoren erhalten. Dabei ging die Hälfte davon an Quantumscape, zu dessen Investoren Bill Gates und VW zählen.

Der Druck, eine bessere Batterie zu bauen, ist in den vergangenen Jahren gewachsen, da die Autohersteller viel auf Elektrofahrzeuge setzen. Weltweit sind die Investitionen in Plug-in-Modelle im vergangenen Jahr um 40 Prozent geklettert, so John Loehr von der Beratungsfirma Alixpartners. Die Festkörpertechnologie bleibt ein längerfristiges Unterfangen. Nach Angaben von Loehr könnte es aber fast ein Jahrzehnt dauern, bis solche Batterien für die Massenproduktion bereit sind, aber die Autohersteller investieren jetzt, um Fachwissen zu erwerben und ihre Produktionsbetriebe vorzubereiten, fügt er hinzu. "Sie wollen nicht in die Situation geraten, dass alle anderen diese Technologie haben und sie nicht", bekräftigt Loehr.


   Zahlreiche Fortschritte mit Lithium-Ionen-Batterien 

Die Fortschritte in der Lithium-Ionen-Batterietechnologie in den 1980er und 1990er Jahren haben Tesla zum ersten kommerziell erfolgreichen Elektroautohersteller gemacht. Seitdem haben sich die Lithium-Ionen-Batterien, die einen flüssigen Elektrolyten verwenden, bei der Reichweite deutlich verbessert und sind auch deutlich billiger als bei ihrer ersten Markteinführung. Aber die Lithium-Ionen-Batterien haben auch Nachteile. GM rief kürzlich etwa 142.000 Chevrolet Bolt-Elektroautos zurück, um einen Herstellungsfehler zu beheben, der mit Batteriebränden in Verbindung gebracht wird. Einige Autofirmen mussten bereits Elektroautos zurückrufen, da sie Probleme mit der Batterie hatten und ihre Kunden davor warnten, ihre Autos vollständig aufzuladen oder in Garagen zu parken, bis das Problem behoben war.

Branchenvertreter und Analysten sind der Meinung, dass die Verwendung der Festkörpertechnologie die Batterien sicherer machen würde, da das Kernmaterial weniger leicht brennbar ist. Eine große Hürde bei den Lithium-Ionen-Batterien besteht darin, dass mit zunehmender Energiedichte das Risiko eines Brandes steigt, so Tim Bush, Analyst für Batterietechnik bei UBS Research. "Wenn wir den Elektrolyten abschaffen und durch festes Material ersetzen, haben wir kein Sicherheitsrisiko mehr, und die Energiedichte könnte doppelt so hoch sein wie heute", zeigt sich Bush optimistisch.


   Festkörperbatterien noch nicht reif für Massenproduktion 

Bisher ist es noch niemandem gelungen, Festkörperbatterien zu bauen, die in Massenproduktion hergestellt und in Millionen von Autos eingebaut werden können. Aber einige Start-ups hoffen, dass sie dieses Ziel erreichen können, indem sie sich mit Autoherstellern zusammenschließen, die über mehr als ein Jahrhundert Erfahrung in der Massenproduktion verfügen. Im Dezember meldete das Silicon-Valley-Startup Quantumscape, dass es einen Durchbruch erzielt habe, indem es erfolgreich Batterien mit seinem Festkörpermaterial getestet habe.

Im März teilte VW mit, dass seine Batteriewissenschaftler die Tests von Quantumscape in ihrem eigenen Labor unabhängig verifiziert hätten, und will nun weitere 100 Millionen Dollar in das Startup investieren. Damit stockt VW die Gesamtinvestition in das Unternehmen auf 300 Millionen Dollar auf. Quantumscape hat insgesamt einen Marktwert von etwa 10,5 Milliarden Dollar. VW will außerdem eine Pilotanlage errichten, in der Festkörperbatterien für Elektrofahrzeuge unter Verwendung der Quantumscape-Technologie hergestellt werden. Die endgültige Genehmigung der Pilotanlage steht aus, da die Bundesregierung noch nicht entschieden hat, ob sie das Projekt finanziell unterstützt. "Die Festkörpertechnologie ist der Wendepunkt", betonte Frank Blome, der bei VW die Batterieentwicklung leitet, bereits im März.


   Festkörperbatterien müssen auch in Extremtemperaturen rund laufen 

Nach der Nachricht von Quantumscape gaben BMW und Ford im Mai bekannt, dass sie 130 Millionen Dollar in das Unternehmen Solid Power investieren, das eine Festkörperbatterie entwickelt. Doug Campbell, CEO von Solid Power, berichtet, dass das Unternehmen eine Pilotlinie aufbaut, um im nächsten Jahr mit dem Bau von Festkörperbatterien im Automobilmaßstab zu beginnen. "Wir glauben, dass die nächste Technologie die Festkörpertechnologie sein wird", unterstreicht der BMW-Vorstandsvorsitzende Oliver Zipse. Obwohl er an die Technologie glaubt, ist Zipse skeptisch, wie schnell sie für die Massenproduktion bereit sein könnte, da die Herstellungskosten noch nicht bekannt seien. Außerdem bleibt eine unbekannte Variable, wie sicher die Technologie in extrem heißen und kalten Klimazonen arbeitet. "Was noch nicht geklärt ist, sind die Kosten", wirft Zipse ein. "Ein Elektroauto und die Batterie müssen in einem sehr breiten Temperaturbereich funktionieren."

Toyota hat im vergangenen Jahr den Prototyp eines Fahrzeugs mit Festkörperbatterien gebaut und ihn einer Reihe von Tests unterzogen. Laut Masahiko Maeda, Technik-Chef des Unternehmens, kommen diese Batterien auf eine höhere Leistung als herkömmliche Lithium-Ionen-Batterien. Es wurde aber auch festgestellt, dass sie eine kurze Lebensdauer haben. "Um dieses und andere Probleme zu lösen, müssen wir die Entwicklung fortsetzen, vor allem bei den Festelektrolytmaterialien", so Maeda weiter.

Kontakt zum Autor: unternehmen.de@dowjones.com

DJG/DJN/axw/cbr

(END) Dow Jones Newswires

September 29, 2021 03:39 ET (07:39 GMT)