Von Rochelle Toplensky

LONDON (Dow Jones)--Die zunehmende Bedrohung der europäischen Erdgasversorgung durch den russischen Präsidenten Wladimir Putin hat der Entwicklung von sauber verbrennendem Wasserstoff sowohl politisch als auch wirtschaftlich einen Schub gegeben.

Viele Regierungen haben ihre Zusagen für Wasserstoffprojekte verdoppelt, um die Energiesicherheit zu erhöhen. Währenddessen haben die hohen Preise für Kohle, Gas und CO2-Zertifkate in der EU auch die Wettbewerbsfähigkeit des so genannten grünen Wasserstoffs verbessert, der durch die Aufspaltung von Wasser mit erneuerbarer Energie hergestellt wird.

Neue Projekte kommen ständig hinzu. Vor kurzem haben BP und Totalenergies Investitionen in Höhe von einer Milliarde US-Dollar in Wasserstoff bekannt gegeben. Die großen Ölkonzerne sind bedeutende Akteure, denn sie verfügen über Bargeld, Fachwissen über Megaprojekte, politischen Einfluss und Erfahrung in der Verarbeitung, Transport und Verkauf von Gasen.


   Wasserstoff-Aktien hinken dem Markt hinterher 

Dennoch haben sich reine Wasserstoff-Aktien deutlich schlechter entwickelt als der Markt, wobei sich einige Aktienkurse fast halbiert haben. Die Entscheidung des deutschen Industriekonzerns Thyssenkrupp Mitte Juni, seine Pläne für eine Minderheits-Börsennotierung ihrer Wasserstofftochter Nucera auf Eis zu legen, unterstreicht diesen Punkt. Die Anleger werden unter anderem von hohen Zinssätzen und zögerlichen politischen Entscheidungen abgeschreckt.

Ansteigende Zinssätze verringern den erwarteten Wert der Renditen von längerfristigen, kapitalintensiven Projekten wie sauberem Wasserstoff. Die meisten Projekte dürften frühestens in einem halben Jahrzehnt soweit sein, Gas in großem Maßstab zu produzieren.

Die Hersteller von Elektrolyseuren, die grünen Wasserstoff produzieren, und von Brennstoffzellen, die ihn zur Stromerzeugung nutzen, befinden sich mitten in der Skalierungsphase, die mit relativ hohen Kosten verbunden ist. In vielen Fällen haben ihre Gewinnspannen zuletzt gelitten, da kleine Produktionsserien ihre Verhandlungsmacht angesichts von Kostensteigerungen oder Verzögerungen in der Lieferkette begrenzen.


   Politische Maßnahmen werden nur langsam ergriffen 

Ein weiteres Hindernis ist politischer Natur. Trotz aller Reden auf höchster Ebene haben die Regierungen nur langsam detaillierte politische Maßnahmen ergriffen, um Projekte zu unterstützen. In den USA ist billiger, sauberer Wasserstoff ein Ziel des Energieministeriums, aber die entscheidenden Steuergutschriften für Wasserstoff wurden im Gesetzentwurf "Build Back Better" gestoppt, auch wenn es Bemühungen gibt, diese wiederzubeleben.

Die EU hat ihre Wasserstoffziele für 2030 verdoppelt, um russische Energie zu ersetzen, jedoch wird noch immer über wichtige Details der Infrastruktureinführung debattiert und darüber, was für Anreize gesetzt werden sollen. Politische Anreize haben sich bisher vor allem auf die Angebotsseite konzentriert, aber auch die Nachfrageseite braucht Förderung.

"Die politischen Maßnahmen zur Unterstützung der Einführung in Europa verzögern sich noch immer. Es gibt, ich weiß nicht, wie viele Hunderte von Megawatt an Projekten, die in Wartestellung sind", sagt Pierre-Etienne Franc von Hy24, einem Fonds für sauberen Wasserstoff, der kürzlich mehr als 1,6 Milliarden Euro eingesammelt hat.


   Konkurrenz kommt aus Asien 

Die starke politische Unterstützung in Asien trägt zur Entwicklung des dortigen Marktes bei. Manche befürchten, dass China die Herstellung von Wasserstoffanlagen ebenso dominieren könnte wie die von Solarzellen. Die Service-Anforderungen von Elektrolyseuren könnten jedoch dazu beitragen, dass lokale Anbieter im Wettbewerb bestehen, wie es bei den Anbietern von Windturbinen der Fall war.

Selbst nach den Kursverlusten in diesem Jahr sind Wasserstoffaktien mit einem Unternehmenswert zwischen dem 3- und 26-fachen des Umsatzes immer noch teuer. ITM Power, NEL und McPhy Energy stellen Elektrolyseure her, während Ballard Power Systems, Powercell Sweden und Plug Power Brennstoffzellen produzieren. Ceres Power und Bloom Energy arbeiten an der eher experimentellen Festoxidtechnologie.

Wie lange ihre Aktien dahindümpeln, hängt zum Teil von den Zentralbankern ab, aber auch die Politiker müssen ihren Wasserstoffversprechen möglicherweise mehr Taten folgen lassen, bevor die derzeitige Flaute eine gute Chance hat, sich zu verbessern.

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June 27, 2022 07:17 ET (11:17 GMT)