ESSENBACH (dpa-AFX) - Die Verlängerung der Laufzeiten der deutschen Atomkraftwerke muss aus Sicht der Union noch im August vom Bundestag beschlossen werden. Berücksichtige man die Bestelldauer für neue Brennstäbe mit bis zu 15 Monaten, sei klar, warum, erklärte CDU-Chef Friedrich Merz am Donnerstag nach dem Besuch des Atomkraftwerkes Isar 2 bei Landshut in Bayern. "Wenn wir im September sind, wird es kritisch, wenn wir an Weihnachten sind, ist es unmöglich."

Auch CSU-Chef Markus Söder sagte: "Es ist endlich an der Zeit zu handeln. Deutschland kann nicht weiter Zeit vertrödeln, wenn es um die wichtige Energieversorgung geht." Deutschland sei in einer Energienotlage mit einem existenziellen Gasproblem bis Mitte 2024. "Es zählt jeder Tag." Söder warf der Bundesregierung erneut vor, in der Energiedebatte mit Unwahrheiten zu arbeiten. Es stimme nicht, dass ein Weiterbetrieb der Meiler nicht möglich sei. Auch hinke Bayern bei den Erneuerbaren Energien nicht anderen Ländern hinterher.

Merz und Söder betonten, die Union sei jederzeit bereit, zur Änderung des bislang auf das Jahresende terminierten Atomausstiegs auch in der Sommerpause im Bundestag zusammenzukommen. Merz sagte: "Der Atomkraftwerkbetrieb ist technisch, personell und rechtlich möglich." Jetzt müsse entschieden werden, ob das auch politisch möglich sei.

Ansonsten steht erst in rund fünf Wochen wieder eine reguläre Sitzung des Bundestags an. "Wir könnten jetzt zu diesem Zeitpunkt Entscheidungen treffen", die einen Weiterbetrieb auch über den Jahreswechsel 2023/2024 hinaus möglich machen. "Ich fordere die Bundesregierung auf, alle Möglichkeiten auszuschöpfen", sagte Merz. Niemand wolle die alte Kernenergie zurück, aber es sei "aus eigner Verantwortung" wichtig, Probleme nicht zu verstärken.

Wegen der Energiekrise, die sich durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine zugespitzt hat, gibt es seit Monaten eine Debatte, ob Atomkraftwerke in Deutschland länger weiterlaufen sollen, als die geltende Gesetzeslage vorsieht. Die Betriebsgenehmigung des Atommeilers Isar 2 soll eigentlich zum Jahresende ebenso erlöschen wie die der beiden anderen verbliebenen Reaktoren Emsland in Niedersachsen und Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg. Die Bundesregierung hat sich noch nicht final für oder gegen eine Laufzeitverlängerung für die Atommeiler entschieden.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hält längere Laufzeiten für Atomkraftwerke für möglich. Dagegen schloss Außenministerin Annalena Baerbock eine Verlängerung aus: Als Mitglied der Grünen sei das für sie "keine Option". Beide verwiesen aber auf den laufenden "sehr, sehr strengen" Stresstest zur Sicherheit der Stromversorgung in Deutschland. Die Ergebnisse sollen erst in einigen Wochen vorliegen.

Die FDP hatte sich zuletzt für eine Verlängerung bis 2024 ausgesprochen. Von Mitgliedern der Grünen waren Äußerungen zu hören, dass ein sogenannter Streckbetrieb - also eine Weiternutzung mit den aktuellen Brennstäben bis nächsten Sommer - vertretbar wäre. "Es wird keine einfache Verlängerung der Laufzeiten geben", sagte jedoch die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Britta Haßelmann, der Zeitung "Neue Westfälische" (Donnerstag).

Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Donnerstag): "Wir werden den Ausstieg aus der Kernenergie nicht revidieren." Atomkraft sei sehr teuer und mit hohem Risiko verbunden, bis heute sei nicht klar, wie und wo der Atommüll sicher entsorgt werden solle.

Auch andere Kritiker der Kernkraft, darunter Umweltverbände wie Greenpeace und der Bund Naturschutz, haben Zweifel an der Sicherheit mit Blick auf Terrorangriffe und Hochwasser. Zudem monieren sie, dass die zuletzt 2009 vorgenommenen Sicherheitsüberprüfungen auf einem Regelwerk aus den frühen 80er-Jahren basierten, in denen die Atomunfälle von Tschernobyl und Fukushima nicht berücksichtigt seien.

Es sei jetzt keine Zeit, politisch zu taktieren, sagte Söder. Von einer Verlängerung der Laufzeit von Isar 2 würde Deutschland genauso profitieren wie auch Bayern, sagte der Ministerpräsident. Es gehe dabei aber nicht nur um drei Monate, die Reaktoren müssten mindestens bis 2024 weiterlaufen./had/DP/ngu