- von Tom Käckenhoff und Christoph Steitz und Vera Eckert

Der wieder erstarkte Energieriese RWE hat sich mit einer milliardenschweren Kapitalerhöhung für Übernahmen in der boomenden Ökostrombranche gerüstet.

Binnen weniger Stunden sammelte der Konzern durch die Ausgabe neuer Aktien rund zwei Milliarden Euro ein. "Die zusätzliche finanzielle Flexibilität ermöglicht, unsere Projektpipeline zu erweitern und unser kontinuierliches Wachstum bei Windkraft und Solar zu beschleunigen", betonte Vorstandschef Rolf Martin Schmitz. RWE wolle die bislang angekündigten Wachstumsziele noch übertreffen. Die Aktie gab zwar am Mittwoch 4,5 Prozent nach, sie war aber zuvor auf den höchsten Stand seit acht Jahren geklettert.

RWE habe eine solide finanzielle Basis und stehe für Wachstumsperspektiven im Bereich der Erneuerbaren Energien und verlässliche Dividenden, sagte Finanzchef Markus Krebber. "Wir halten an unserem Plan fest, unsere Dividende für das Geschäftsjahr 2020 auf 85 Cent je Aktie anzuheben und die Dividendenzahlungen kontinuierlich im Einklang mit der Entwicklung unseres Kerngeschäfts zu erhöhen."

TOTGESAGTE LEBEN LÄNGER - RWE NACH KRISE WIEDER OBEN

Krebber soll 2021 Schmitz auf dem Chefposten folgen. Er treibt bereits jetzt die Ökostromprojekte voran, um die sich aber viele reißen - auch die großen Ölkonzerne. Der Manager hatte kürzlich darauf verwiesen, dass RWE im Geschäft mit Offshore-Wind und Solar noch Lücken füllen müsse.

Für RWE nimmt der Druck zu, am Ball zu bleiben, ohne sich zu verzetteln. Investoren und Aktionäre drängen darauf, dass die Projekte auch profitabel sind. Die Konkurrenz nimmt zu. So hat BP angekündigt, sein Ökostromgeschäft massiv auszubauen. "Es gibt eine Knappheit an Offshore-Windprojekten", sagt der Portfoliomanager der Fondsgesellschaft Union Investment, Thomas Deser, der Nachrichtenagentur Reuters. "Dies könnte sich durch den Einstieg von Ölfirmen wie BP in das Geschäft mit Erneuerbarer Energie noch verstärken." Die Pläne von BP seien gewaltig. "BP will bis 2030 über Kapazitäten von 50 Gigawatt verfügen nach derzeit 2,5. Es ist schwer vorstellbar, das BP diesen Wert so schnell ohne Übernahmen erreichen kann."

Mit einem Teil der Einnahmen aus der Kapitalerhöhung will RWE den Ende Juli angekündigten Kauf von Windpark-Projekten vom Windturbinenbauer Nordex für rund 400 Millionen Euro refinanzieren.. Den Rest will RWE in den zusätzlichen, kurzfristigen Ausbau der Erneuerbaren Energien, in die Weiterentwicklung der Projektpipeline und in weiteres Wachstum stecken.

Der frühere Atom- und Kohle-Dino hat sich mit der Übernahme der Ökostromgeschäfte von E.ON und der eigenen Tochter Innogy eine Zukunftsperspektive geschaffen. Vor Jahren noch von vielen totgesagt, trotzt der Konzern der Corona-Krise. In den vergangenen Jahren war an eine Kapitalerhöhung kaum zu denken - wegen des schwachen Aktienkurses hätte diese nur wenig eingebracht. Die letzte Kapitalerhöhung hatte sich RWE 2011 - dem Jahr der Atomkatastrophe von Fukushima - unter dem damaligen Vorstandschef Jürgen Großmann getraut.