Beitrag zu den Tagesordnungspunkten 2 und 3: Beschlussfassung über die Entlastung der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats

Sehr geehrte Damen und Herren des Vorstands und des Aufsichtsrats,

dieser Beitrag wird von der Bank für Kirche und Caritas eG, mit der Unterstützung der Fondazione Finanza Etica und Sanso Investment Solutions, alles Mitglieder der Investorenkoalition Shareholders for Change (SfC), vorgelegt.

Die Bank für Kirche und Caritas eG (BKC) ist eine katholische Kirchenbank mit Sitz in Paderborn. Als Gründungsmitglied gehören wir der europäischen institutionellen Investorengemeinschaft Shareholders for Change (SfC) an, die über 30 Milliarden Euro Assets under Management verwaltet. In dieser Funktion nehmen wir an der Hauptversammlung der thyssenkrupp AG teil.

Im Oktober 2020 führten wir gemeinsam mit dem SfC-Gründungsmitglied Fondazione Finanza Etica eine über die SfC hinausgehende Allianz institutioneller Investoren an, zu denen unter anderen die Steyler Ethik Bank und die Pax-Bank gehörten. Ziel der Investorenallianz ist es gewesen, mit Ihnen einen Dialog über Ihre Waffenexportpraxis an Staaten mit massiven Menschenrechtsverletzungen zu führen.

Obgleich wir einen konstruktiven und offenen Dialog mit Ihrem Unternehmen führen konnten, ist jedoch im Ergebnis Ihrerseits weder Einsicht noch Bereitschaft zu verzeichnen gewesen, unsere geäußerten menschenrechtlichen Bedenken und die damit verbundenen Risiken für die thyssenkrupp AG angemessen zu würdigen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.

Unser Hauptkritikpunkt war und ist, dass thyssenkrupp Marine Systems Rüstungsgüter auch an menschenrechtsverletzende Staaten exportiert. So wurden beispielsweise U-Boote und Fregatten an Länder wie die Türkei oder Ägypten verkauft. Diese Staaten werden von Autokraten regiert, in denen die Menschenrechte systematisch verletzt werden. Zudem sind die beiden genannten Staaten in völkerrechtswidrige Kriege verwickelt. Ihre Waffenexportpraxis ist nicht nur aus ethischen Gründen bedenklich, sondern auch aus betriebswirtschaftlicher Risikoperspektive für thyssenkrupp als kritisch einzustufen. Neben den vorhandenen Reputationsrisiken für das Unternehmen entstehen durch eine nicht ausreichende Berücksichtigung von Menschenrechtsrisiken bei Waffenexporten auch explizite finanzielle Risiken, beispielsweise aufgrund eventueller Rechtsklagen von Betroffenen oder durch Waffenexportbeschränkungen.

Grundlage unserer Argumentation sind die "UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte", deren Übernahme in die Gesetzgebung einer wachsenden Zahl von Ländern bei Verstößen die Rechts- und Prozessrisiken für Unternehmen erhöht. Diese UN- Leitprinzipien besagen unmissverständlich, dass ein Unternehmen sicherstellen muss, dass seine Produkte und Dienstleistungen 26.01.2022 keine Menschenrechtsverletzungen verursachen oder dazu beitragen. Dies gilt gemäß den UN-Leitprinzipien unabhängig davon, ob ein Staat in der Lage oder willens ist, die Einhaltung seiner eigenen Menschenrechtsverpflichtungen zu gewährleisten (1).

Die derzeitige Praxis von thyssenkrupp, bei seiner Entscheidung über einen Rüstungsexport nur die Genehmigung durch deutsche Behörden zugrunde zu legen, ist den UN- Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte zufolge unzureichend. Ihre Verantwortung als Unternehmen zu prüfen und zu bewerten, ob Sie mit Ihren Produkten, Dienstleistungen und Aktivitäten indirekt zu Menschenrechtsverletzungen beitragen, besteht unabhängig von der Verantwortung des genehmigungspflichtigen Staates, dies zu tun. Darüber hinaus sind erteilte Rüstungsexportgenehmigungen, wie im Fall Ägyptens und der Türkei, die in

völkerrechtswidrige Kriege verwickelt sind, ein Beleg dafür, dass die alleinige Berufung auf die Einschätzung der Menschenrechtslage durch die Bundesregierung keine ausreichende Sorgfaltspflicht darstellt, auf die sich thyssenkrupp bei seiner Entscheidung stützen kann.

Wir möchten noch einmal betonen, dass Ihre aktuelle Waffenexportpraxis nicht nur aus ethischen Gründen abzulehnen ist, sondern auch aufgrund der unzureichenden Bewertung von Menschenrechtsrisiken ebenfalls ein erhöhtes unternehmerisches Risiko für thyssenkrupp in sich birgt. Um die daraus entstehenden Reputations- und finanziellen Risiken angemessen bewerten und vermeiden zu können, fordern wir Sie auf, Ihre Waffenexportpraxis zu überdenken und zukünftig eine eigenständige menschenrechtliche Sorgfaltsprüfung in Bezug auf Staaten anzuwenden. Dies bedingt zudem, dass Sie sich nicht länger auf Ihre bisherige Position berufen, dass alles, was aktuell rechtlich erlaubt und staatlicherseits genehmigt ist, keiner weiteren Risikobewertung bedarf und für Sie damit ethisch verantwortbar ist. Solch eine Haltung greift unter vielerlei Gesichtspunkten zu kurz.

Ein anderer Bereich Ihrer Geschäftstätigkeit bereitet uns aus Nachhaltigkeits- und Risikoperspektive ebenfalls großes Unbehagen. thyssenkrupp hat laut eigener Website über die Konzerneinheit thyssenkrupp Infrastructure mit insgesamt drei Vibrationseinheiten und über 2.600 Tonnen ASF Ankerpfählen "maßgeblich dazu beigetragen", dass das Fundament des voraussichtlich ab 2023 ans Netz gehenden ersten Atomkraftwerks in Ruppur, Bangladesch gebaut werden konnte. Auf Ihrer Website (2) wird dazu erläutert: "Der Hauptgrund für die 26.01.2022 Wahl Ruppurs ist die Lage am Fluss Padma, der das Kühlwasser für das geplante Kraftwerk liefern soll. Da es sich bei dem Flussland um eine Schwemmebene handelt, musste ein Unternehmen gefunden werden, das umfassende Erfahrung darin hat, im Sand zu bohren und die entsprechenden Vibratoren zur Verfügung stellen konnte."

Neben der allgemeinen, immer bestehenden Gefahr eines Reaktorunfalls ergeben sich laut verschiedenen Medienberichten (3) aufgrund der besonderen Lage des Atomkraftwerks am Fluss Padma weitere Risiken für Mensch und Umwelt. So nehme die Wassermenge des Padmas im Frühjahr bis um das 7- fache ab, sodass zur Kühlung des Reaktors Grundwasser entnommen werden müsse. Des Weiteren müssen mithilfe von Chemikalien und Bioziden Salze, Sand, Algen und Bakterien aus dem Flusswasser gefiltert werden. Daneben bestünden viele weitere Risiken für die Sicherheit und Gesundheit der in Reaktornähe wohnenden Menschen, die sich anhand der geografischen Lage des Atomkraftwerksbegründen. Beispielsweise empfinden wir den Umstand der "Schwemmebene", in der das Atomkraftwerk liegt, besonders beunruhigend. Denn diese werde vom angrenzenden Fluss Padma in der Regel ein bis zwei Mal im Jahr überschwemmt, was bei einem schweren Überflutungsfall zu einer nicht überschaubaren Katastrophe führen könne.

Insgesamt halten wir fest, dass Vorstand und Aufsichtsrat unserer Meinung nach bei den beiden dargestellten Geschäftstätigkeiten keine angemessene Beachtung von Risiken in Bezug auf Menschenrechtsverstöße und Auswirkungen auf Mensch und Umwelt sowie die sich daraus ergebenden Reputations- und finanziellen Risiken für thyssenkrupp vorgenommen haben.

Noten: (1) Im Wortlaut der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (deutsche

Übersetzung): II. A. 13. "Die Verantwortung, die Menschenrechte zu achten, erfordert, dass

Wirtschaftsunternehmen: (b) bemüht sind, negative Auswirkungen auf die Menschenrechte zu verhüten oder zu mindern, die auf Grund einer Geschäftsbeziehung mit ihrer Geschäftstätigkeit, ihren Produkten oder 26.01.2022 Dienstleistungen unmittelbar verbunden

sind, selbst wenn sie nicht zu diesen Auswirkungen beitragen." II. A. 11. "Wirtschaftsunternehmen sollten die Menschenrechte achten. Dies heißt, dass sie vermeiden sollten, die Menschenrechte Anderer zu beeinträchtigen, und dass sie nachteiligen menschenrechtlichen Auswirkungen, an denen sie beteiligt sind, begegnen sollten. Kommentar: Die Verantwortung, die Menschenrechte zu achten, ist ein globaler Standard für das von allen Wirtschaftsunternehmen erwartete Verhalten, wo immer sie ihre Geschäftstätigkeit ausüben. Sie besteht unabhängig von der Fähigkeit und oder Bereitschaft der Staaten, ihre eigenen menschenrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen, und schmälert diese Verpflichtungen nicht. Sie geht über die Einhaltung nationaler Gesetze und Vorschriften zum Schutz der Menschenrechte hinaus." Quelle: Geschäftsstelle deutsches Global Compact Netzwerk (Hrsg., 2014): Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte;

2. Auflage, Berlin, abgerufen 07.01.2022: https:www.auswaertigesamt.deblob266624b51c16faf1b3424d7efa060e8aaa8130un- leitprinzipien-dedata.pdf. (2) Quelle: https:www.thyssenkruppinfrastructure.comdereferenzenkernkraftwerk-bangladesch , abgerufen 07.01.2022. (3) Quelle: z.B. https:www.heise.detpfeaturesAtomland-Bangladesch-es-wirdernst-6229253.html?seite=all , https:www.thethirdpole.netenenergywatershortages- pose-risks-to-bangladeshs-first-nuclear-plant ,https:www.thedailystar.netop-edchallenge-rooppur-nuclear-power-plant-134587 ,https:climateandsecurity.org202008record-floods-threaten-nuclear-power-site-inbangladesh , abgerufen 07.01.2022."

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ThyssenKrupp AG published this content on 31 January 2022 and is solely responsible for the information contained therein. Distributed by Public, unedited and unaltered, on 31 January 2022 12:09:04 UTC.