Wien (Reuters) - Der Stahl- und Verarbeitungskonzern Voestalpine erwartet für das Gesamtjahr 2020/21 den zweiten Jahresverlust in Folge.

Zu schaffen machten dem Linzer Unternehmen die Corona-bedingte Nachfrageschwäche, niedrigere Stahlpreise sowie millionenschwere Sonderabschreibungen beim Werk in Texas, erklärte Konzernchef Herbert Eibensteiner am Dienstag. Zudem sieht sich der Manager durch den erneuten Lockdown in vielen Länder mit Unsicherheiten konfrontiert, die derzeit noch nicht abschätzbar seien. Am Ausblick hält er aber fest, nachdem die Ziele erst im Oktober angepasst wurden.

"Unter dem Strich wird sich wahrscheinlich kein Jahresüberschuss ausgehen", räumte Finanzchef Robert Ottel in einer Telefonkonferenz ein. Er begründete den Fehlbetrag im Gesamtjahr 2020/21 mit den hohen Abschreibungen. Zu den üblichen Wertberichtigungen von rund 800 Millionen Euro würden nun im zweiten Quartal Sonderabschreibungen von rund 200 Millionen Euro hinzukommen, erklärte der Manager. Diese seien großteils auf das US-Werk zurückzuführen. Seit 2019 setzten den Österreicher dort die hohen Eisenerzpreise zu, die vor allem von der steigenden Nachfrage aus China beeinflusst wären. Bereits 2019/20 mussten außerplanmäßige Abschreibungen vorgenommen werden. Nun sei das Werk in Texas noch mit 448 Millionen Euro in den Büchern, sagte Ottel. An der Wiener Börse reagierten die Anleger verschreckt. Die Papiere verloren vier Prozent auf 24,5 Euro.

Das einstige Prestigeprojekt in Texas macht seit je her Probleme. Es kam zu Bauverzögerungen und Kostenüberschreitungen von insgesamt über eine Milliarde Dollar. Hinzu kam die schwierige Marktsituation. "Die Sonderabschreibungen und Marktveränderung schmerzen natürlich, aber auf der anderen Seite muss man sagen, dass diese Anlage bei Projekten, die zur Co2-Reduktion dienen, eine Rolle spielen werde", sagte Eibensteiner. Die 2017 in Vollbetrieb gegangene Anlage produziert jährlich rund zwei Millionen Tonnen Eisenschwamm (HBI), ein Vormaterial für die Stahlproduktion, das in den Werken in Österreich weiterverarbeitet oder an Kunden in den USA verkauft wird.

Die Probleme der Voestalpine erinnern an den Konkurrenten ThyssenKurpp. Der deutsche Branchenprimus hatte sich mit einem Ausflug ins amerikanische Stahlgeschäft verhoben. Die Kosten für zwei Werke in Brasilien und den USA explodierten. Das Geschäftsmodell ging nicht auf. Nach Milliardenverlusten stieß der Konzern die Fabriken wieder ab. Das Desaster in Übersee brachte Thyssenkrupp an den Rande des Ruins und belastet das Unternehmen noch heute.

VOESTALPINE IM Q2 OPERATIV ÜBER ERWARTUNGEN

Voestalpine verbuchte von Juli bis September einen Verlust von 206,1 Millionen Euro nach einem Gewinn von 24,8 Millionen Euro im Vorjahreszeitraum. Im operativen Geschäft waren die Einbußen nicht so hoch: Der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) sank zwar auf 237,2 Millionen Euro nach 294,6 Millionen Euro, lag damit aber über den Analysten-Schätzungen von 201,0 Millionen Euro.

Insbesondere die europäische und amerikanische Automobil-, aber auch die Konsumgüter- und Bauindustrie hätten im Frühjahr rasch wieder an Dynamik gewonnen, hieß es. Unverändert schwierig sei die Situation in den Segmenten Luftfahrt sowie Öl und Gas, die besonders hart von den Folgen der Pandemie betroffen sind. Der Konzern mit weltweit rund 48.000 Mitarbeitern verarbeitet Stahl und beliefert die Auto-, Flugzeug-, Bahn- und Ölindustrie.

Für das bis Ende März laufende Geschäftsjahr 2020/21 wurde die untere Bandbreite für das Ebitda mit 800 Millionen Euro, die obere mit einer Milliarde Euro bekräftigt. 2019/20 wurde ein Ebitda von 1,2 Milliarden Euro und ein Nettoverlust von 216,5 Millionen Euro verbucht.