--Thyssen sieht Barmittelabfluss nun bei 1,2 bis 1,5 Mrd EUR

--Preise schlagen bei Stahl noch nicht auf Ergebnisse durch

--Aktie fällt

(NEU: Aussagen CFO, Spartenergebnisse, Aktienkurs)

Von Jürgen Hesse und Matthias Goldschmidt

FRANKFURT (Dow Jones)--Der Industriekonzern Thyssen hat durchwachsene Quartalszahlen vorgelegt und die Ergebnisprognose für das Gesamtjahr bestätigt. Der Umsatz zog dank der steigenden Nachfrage deutlich an, auch operativ schaffte das MDAX-Unternehmen wieder schwarze Zahlen. Im wichtigen Stahlgeschäft werden sich die höheren Preise allerdings erst zeitverzögert im Ergebnis niederschlagen. Mit Blick auf das Gesamtjahr präzisierte das Unternehmen seine Prognose für den freien Cashflow vor M&A (Fusionen und Übernahmen) und erwartet hier nun höhere Abflüsse als bisher.

Am Markt kommen Zahlenwerk und Ausblick nicht gut an. Die Aktie fällt im frühen Handel um 5,7 Prozent auf 8,41 Euro. Sorgen machten vor allem die Folgen der Inflation, die mittlerweile immer erkennbarer auf Free Cashflow und Margen drücke, sagte ein Händler. Der Cashflow-Ausblick habe unter der Markterwartung gelegen.

Thyssenkrupp zeigte im dritten Geschäftsquartal, das von April bis Juni lief, durchweg ein beeindruckendes Wachstum, waren doch die Vorjahreszahlen stark von der Corona-Pandemie beeinträchtigt. Die Auftragseingänge im fortgeführten Geschäft erreichten 8,77 Milliarden Euro und damit 83 Prozent mehr als vor Jahresfrist. Der Umsatz stieg um 51 Prozent auf 8,676 Milliarden Euro, Analysten hatten mit 8,75 Milliarden allerdings etwas mehr erwartet.

Das bereinigte EBIT betrug 266 Millionen Euro und lag damit über dem Vorjahreswert von minus 693 Millionen und auch über dem Vorquartal (220 Millionen). Dies war etwas besser als von Analysten erwartet. Unter dem Strich stand im Konzern ein Nettoergebnis nach Dritten von 125 Millionen Euro, auch hier war der Vorjahreswert tiefrot gewesen. Das Ergebnis je Aktie betrug 0,20 Euro.


   CFO sieht bei Stahl nachgelagerten Ergebniseffekt 

Alle Sparten steigerten ihren Umsatz, und die meisten Bereiche wiesen auf Basis des bereinigten EBIT wieder einen operativen Gewinn aus. Von den höheren Stahlpreisen konnte Thyssenkrupp aber noch nicht in gleichem Maße profitieren wie die Konkurrenz.

"Mit unseren längerfristigen Vertragsstrukturen können wir die gestiegenen Rohstoff- und Stahlpreise erst zeitverzögert in unseren Erlösen und im Ergebnis abbilden", sagte Finanzvorstand Klaus Keysberg, der auch für das Segment Steel Europe verantwortlich ist. Hinzu kämen teilweise Produktionseinschränkungen. "Der positive Ergebniseffekt kommt. Wir werden ihn bei uns nur später sehen als beim Wettbewerb", sagte der Manager.

Steel Europe steigerte den Umsatz im dritten Quartal auf 2,4 von 1,4 Milliarden Euro. Das bereinigte EBIT schaffte es mit 19 Millionen Euro knapp in die schwarzen Zahlen, nachdem das Segment im Vorjahr einen Verlust von 309 Millionen Euro eingefahren hatte.


   Rekordergebnis bei Material Services 

Deutlich besser schnitt das größte Segment Material Services ab, das von höheren Walzstahl- und Edelstahlpreisen profitierte. Der Umsatz kletterte auf 3,3 von 1,9 Milliarden Euro, während das bereinigte EBIT den Rekordwert von 232 Millionen Euro erreichte nach einem Verlust von 75 Millionen im Vorjahr.

Weiterhin rote Zahlen schrieb das Segment Multi Tracks, in dem Thyssen die abzugebenden Geschäftsbereiche bündelt. Bei einem Umsatzwachstum auf 1,4 von 1,2 Milliarden Euro stand hier ein EBIT-Verlust von 45 Millionen Euro zu Buche, der immerhin geringer ausfiel als der Fehlbetrag aus dem Vorjahr von 189 Millionen Euro.


   Free Cashflow bei minus 1,2 bis 1,5 Milliarden Euro gesehen 

Für das Gesamtjahr bestätigte Thyssenkrupp die zuletzt mit den Halbjahreszahlen angehobene Ergebnisprognose, allerdings nicht die für den Free Cashflow vor M&A. "Wir liegen mit unserem Umbau von Thyssenkrupp voll im Plan. Das Umfeld bleibt extrem herausfordernd, aber was wir selbst in der Hand haben, das liefern wir", sagte Thyssen-Chefin Martina Merz.

Der Umsatz soll 2021 demnach im niedrigen zweistelligen Prozentbereich wachsen, jedoch noch unter dem Niveau vor der Corona-Pandemie bleiben (Vorjahr: 28,9 Milliarden Euro). Für das bereinigte EBIT rechnet Thyssenkrupp mit einer signifikanten Steigerung hin zu einem positiven Ergebnis eines mittleren dreistelligen Millionen-Euro-Betrages (Vorjahr: pro forma minus 1,8 Milliarden Euro). Der Free Cashflow vor M&A soll aber nur in einer Bandbreite von minus 1,2 bis minus 1,5 Milliarden Euro liegen (Vorjahr: minus 5,5 Milliarden). Bislang hatte Thyssen hier von minus rund 1 Milliarde Euro gesprochen.

Im dritten Quartal fiel der Free Cashflow vor M&A allerdings besser aus als von Analysten erwartet. Er verbesserte sich von einem negativen Wert von minus 1,238 Milliarden Euro auf jetzt minus 235 Millionen Euro. Analysten hatten deutlich höhere Abflüsse erwartet.

Thyssen erklärte die ungünstige Entwicklung beim Cashflow mit dem Aufbau des Nettoumlaufvermögens. Dieser Aufbau erfolge im Zuge des Umsatzwachstums und sei stark abhängig von den höheren Rohstoffpreisen. Insbesondere in der zweiten Hälfte des Geschäftsjahres würden die verlangsamten Abrufe von Komponenten durch Kunden aus der Fahrzeug-Industrie vorübergehend das Netto-Umlaufvermögen erhöhen. Weitere Einflussfaktoren seien unter anderem Auszahlungen für Restrukturierungen im niedrigen bis mittleren dreistelligen Millionen-Euro-Bereich.

Thyssenkrupp erwartet 2020/21 unter dem Strich unverändert einen Jahresfehlbetrag von bis zu einem mittleren dreistelligen Millionen-Euro-Betrag (Vorjahr: minus 5,5 Milliarden).

Kontakt zum Autor: unternehmen.de@dowjones.com

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August 11, 2021 04:06 ET (08:06 GMT)