- von Christoph Steitz und Tom Käckenhoff

Frankfurt/Düsseldorf (Reuters) - Der Industriekonzern Thyssenkrupp will sich bei seinen Überlegungen für eine Abtrennung des kriselnden Stahlgeschäfts nicht allein auf eine Einigung mit dem tschechischen Milliardär Daniel Kretinsky verlassen.

"Wir sind guter Dinge, dass dieser Prozess zum Erfolg führt", sagte Finanzchef Jens Schulte in einem am Dienstag veröffentlichten Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters. Klarheit werde es aber erst im Laufe des kommenden Jahres geben. Zunächst müsse ein neuer Businessplan für das Stahlgeschäft erstellt werden, der wohl im Frühjahr 2025 fertig werde. Dieser sei dann die Basis für die Gespräche mit Kretinskys Energie-Holding EPCG über eine Aufstockung ihres Anteils von derzeit 20 auf 50 Prozent.

"Wenn es dazu kommen sollte, wird eine Fair-and-Best-Ownership-Vereinbarung zwischen dem Stahlvorstand, Herrn Kretinsky und den Arbeitnehmervertretungen verhandelt", erläuterte der Manager, der im Juni die Nachfolge von Klaus Keysberg als Finanzchef des Ruhrkonzerns übernommen hatte. Möglich sei auch, dass EPCG mit dem derzeitigen Paket beteiligt bleibe und dies nicht aufstocke, sagte Schulte. Selbst bei einem kompletten Ausstieg Kretinskys würde Thyssenkrupp seinen Plan zur schrittweisen Verselbstständigung des Stahlgeschäfts fortsetzen.

"Wir haben auch in der Vergangenheit Gespräche mit anderen Industriepartnern und Stahlunternehmen geführt und diese Gespräche würden wir im Zweifelsfall wieder aufnehmen oder schauen, ob wir das Geschäft selber verselbstständigen können", sagte Schulte. Dazu müsse die Stahlsparte aber ihre Performance verbessern. "Ein Börsengang ist zur jetzigen Zeit nicht möglich. Da muss man realistisch sein."

KLARHEIT ÜBER ZUKUNFT DES STAHLGESCHÄFTS ZIEHT SICH HIN

Thyssenkrupp sucht seit Jahren eine Lösung für das konjunkturanfällige Werkstoffgeschäft. Der Tochter Thyssenkrupp Steel Europe machen - wie der gesamten Branche mit Playern wie Salzgitter und ArcelorMittal - hohe Energiekosten, sinkende Stahlpreise und eine schwache Nachfrage wichtiger Kunden wie der Automobilindustrie und dem Maschinenbau zu schaffen. Die IG Metall befürchtet, dass der Abbau tausender Arbeitsplätze bevorsteht. In den vergangenen Jahren scheiterte ein geplantes Joint Venture mit dem indisch-britischen Unternehmen Tata Steel Europe ebenso wie eine Übernahme durch den britischen Konkurrenten Liberty Steel. Überlegungen für eine Deutsche Stahl AG unter Beteiligung von Salzgitter haben die Niedersachsen stets eine Abfuhr erteilt.

Thyssenkrupp-Vorstandschef Miguel Lopez strebt nun ein 50:50-Stahl-Joint-Venture mit Kretinskys Energie-Holding EPCG an. Finanzchef Schulte würdigte das Engagement des Tschechen und hob die Vorteile der Pläne hervor. "Daniel Kretinsky bringt sich intensiv in alle Diskussionen ein." Dazu gehörten die Treffen des Stahlaufsichtsrats aber auch die Gespräche über einen tragfähigen Businessplan. "Er kann gut zuhören, hat aber auch sehr klare Vorstellungen." EPCG sei einer der größten Energiehändler in Europa und habe große Mengen an Strom verfügbar.

(Bericht von Christoph Steitz, Tom Käckenhoff, redigiert von Sabine Wollrab. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)